Rz. 3
Unter der Bezeichnung "Nachlasssicherung" werden grundsätzlich die Regelungen in §§ 1960–1962 BGB verstanden. Hier sollen jedoch – wegen der praktischen Bedeutung – auch die Regeln über die Verfügungen des vorläufigen Erben, der die Erbschaft ausschlägt, der Erbschaftsanspruch und die Vorschriften über die Verpflichtung zur Ablieferung von Testamenten behandelt werden.
I. Allgemeines
1. Unklarheit der Erbfolge
Rz. 4
Regelmäßig wird dem Nachlassgericht der Tod einer Person durch Anzeige des Standesbeamten bekannt. Da die Mitteilung des Standesamts an das Nachlassgericht im Rahmen eines verwaltungsmäßigen Verfahrens erfolgt, vergehen zumindest mehrere Tage zwischen dem Tod einer Person und dessen Bekanntwerden beim Nachlassgericht. In der Zwischenzeit können Veränderungen im Bestand des Nachlasses vorgenommen worden sein oder – was so selten nicht geschieht – privatschriftliche Testamente beseitigt worden sein.
Rz. 5
Bis zur Ermittlung der Erben kann weitere Zeit verstreichen, während der einerseits unklar ist, wer über die Nachlassgegenstände verfügungsberechtigt ist und während der möglicherweise Nichtberechtigte Verfügungen vornehmen und auf diese Weise den Nachlass schmälern.
Rz. 6
Deshalb ist unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des Nachlassbestandes zu empfehlen, dass der Erblasser einer Vertrauensperson eine postmortale oder eine transmortale Vollmacht erteilt, um die Zeit zwischen dem Erbfall und der zuverlässigen Feststellung der Erbfolge zu überbrücken. Ein Bevollmächtigter ist in jedem Falle befugt, sofort nach dem Erbfall Anordnungen zur Sicherung des Nachlassbestandes zu treffen und gegebenenfalls entsprechende Verfügungen vorzunehmen, noch bevor der endgültig Verfügungsberechtigte feststeht. Dies gilt auch für den Fall, dass der Erblasser einen Testamentsvollstrecker eingesetzt hat, weil das Amt des Testamentsvollstreckers erst mit der ausdrücklichen Amtsannahme gegenüber dem Nachlassgericht beginnt (§ 2202 Abs. 1 BGB).
(Zur Vollmacht siehe oben § 7 Rdn 663 ff.).
2. Sicherung des Erblasserwillens
a) Amtliche Verwahrung von Verfügungen von Todes wegen
Rz. 7
Zur Sicherung der Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen ist deren amtliche Verwahrung sinnvoll, da so sichergestellt ist, dass der Inhalt auch bekannt wird. Die Amtsgerichte sind für die besondere amtliche Verwahrung zuständig, § 344 FamFG, funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, § 3 Nr. 2c RPflG. Die Landesregierungen können die Aufgabe auf den Urkundsbeamten übertragen, § 36b RPflG.
b) Örtliche Zuständigkeit
aa) Notariell beurkundetes Testament
Rz. 8
Beim notariell beurkundeten Testament ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat, § 344 Abs. 1 Nr. 1 FamFG.
bb) Eigenhändiges Testament
Rz. 9
Das privatschriftliche einseitige oder gemeinsame Testament (§§ 2247, 2267 BGB) kann bei jedem Amtsgericht verwahrt werden, § 344 Abs. 1 Nr. 3 FamFG.
cc) Nottestament – Bürgermeistertestament
Rz. 10
Das vor dem Bürgermeister errichtete Nottestament (§ 2249 BGB) ist bei dem Amtsgericht zu verwahren, zu dessen Bezirk die Gemeinde gehört, § 344 Abs. 1 Nr. 2 FamFG.
dd) Erbverträge
Rz. 11
Die gleichen Regeln gelten auch für Erbverträge, § 344 Abs. 1 bis 3 FamFG.
c) Benachrichtigung des Geburtsstandesamts
Rz. 12
Das Standesamt des Geburtsorts des Erblassers ist von der erfolgten Verwahrung zu benachrichtigen. Liegt dies außerhalb Deutschlands, so ist das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zu benachrichtigen. Seit 1.1.2012 ist bei der Bundesnotarkammer mit Sitz in Berlin das Zentrale Testamentsregister eingerichtet, wohin die Notare und alle verwahrenden Stellen Testamente und Erbverträge zu melden haben. Auch die Standesämter haben die bei ihnen bereits registrierten Verfügungen von Todes wegen dorthin zu melden. Wann dieses "Nachmeldeverfahren" abgeschlossen sein wird, ist noch unklar. Das Geburtsstandesamt bzw. das AG Berlin-Schöneberg wird beim Tod des Erblassers vom Standesamt des Sterbeortes verständigt und benachrichtigt nun seinerseits das Zentrale Testamentsregister, das wiederum das verwahrende Gericht bzw. Staatliche Notariat und das Nachlassgericht zu verständigen hat. Daraufhin hat die verwahrende Stelle (Amtsgericht, Staatliches Notariat, Notar) die Verfügung von Todes wegen an das Nachlassgericht zu übersenden. Errichtet der Erblasser ein privatschriftliches Testament, so kann er auch dieses in die besondere amtliche Verwahrung geben (§ 2248 BGB). Sollte ein Erblasser sich auch dazu nicht entschließen können, so empfiehlt es sich, mehrere Originale des Privattestaments anzufertigen und diese entweder an verschiedenen Stellen zu verwahren oder sie denjenigen Personen auszuhändigen, die in diesem Testament begünstigt sind.
d) Die Eröffnung letztwilliger Verfügungen
Rz. 13
Dasjenige Amtsgericht, das eine letztwillige Verfügung verwahrt, ist auch für die Eröffnung zuständig, §...