Rz. 397
Grundsätzlich beträgt die Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 Abs. 1 BGB sechs Wochen und beginnt gemäß § 1944 Abs. 2 S. 1 BGB ab Kenntnis des Erbfalls und des Berufungsgrundes. Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Monate, wenn sich der Erbe bei Fristbeginn im Ausland aufhält (§ 1944 Abs. 3 BGB). Bei Minderjährigen ist dabei auf den Aufenthalt des gesetzlichen Vertreters abzustellen. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, dann beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen zu laufen (§ 1944 Abs. 2 S. 2 BGB).
Die Bekanntgabe kann entweder mündlich an die bei der Eröffnungsverhandlung Anwesenden (§ 348 Abs. 2 FamFG) oder schriftlich an die nicht Anwesenden (§ 348 Abs. 3 FamFG) erfolgen. Für die Ausübung des Wahlrechts nach § 2306 Abs. 1 BGB beginnt die Frist allerdings erst ab Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von den Beschränkungen und Beschwerungen. Vgl. im Übrigen zum Fristbeginn U. Mayer, DNotZ 1996, 433.
Rz. 398
Ein in diesem Zusammenhang auftretendes Problem ist die Frage der Ausschlagung durch die Schlusserben, wenn die Ehegatten ein wechselbezügliches Testament errichtet haben. Liegt ein wechselbezügliches Testament in Form der Einheitslösung vor, so bedarf es einer Ausschlagung auf den Tod des ersterbenden Elternteils nicht. Der pflichtteilsberechtigte Schlusserbe kann seinen Pflichtteil gleich geltend machen, da er für den ersten Todesfall enterbt ist.
Liegt dagegen ein Ehegattentestament in der Form der Trennungslösung (Vor- und Nacherbschaft) vor, so muss der Nacherbe alsbald die Nacherbschaft ausschlagen, um seinen Pflichtteil geltend machen zu können, denn er ist, wenn auch nur als Nacherbe, Erbe geworden. Hier gilt es zu beachten, dass die Ausschlagungsfrist nicht vor Eintritt des Nacherbfalls zu laufen beginnt (§§ 1944, 2139, 2142 Abs. 1 BGB); anders dagegen die Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs, die bereits mit Kenntnis vom Erbfall (nicht Nacherbfall) beginnt, so dass gem. § 2332 Abs. 2 BGB ein Pflichtteilsanspruch schon verjährt sein kann, bevor nur die Ausschlagungsfrist zu laufen begonnen hat. Aber der Nacherbe kann auch schon nach Eintritt des Erbfalls ausschlagen, vgl. § 2142 Abs. 1 BGB.
Hierzu das OLG München:
Zitat
"1. Erlangt der Nacherbe im Erbscheinsverfahren des Vorerben Kenntnis vom Inhalt des Testaments, so setzt diese Kenntnis nicht die Ausschlagungsfrist in Lauf."
2. Mit der Verkündung der letztwilligen Verfügung an einen Erben (hier: Nacherbe) in seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter eines Erben (hier: Nach-Nacherbe) in Form der schriftlichen Kundgabe wird die Ausschlagungsfrist des Erben nicht in Lauf gesetzt. Deren Beginn setzt eine Kundgabe an den Erben als Beteiligten voraus (im Anschluss an BGHZ 112, 229).“
Für die Praxis stellt sich weiter das Problem, dass bei einem von den Ehegatten selbst verfassten Testament nicht immer eindeutig geklärt ist, ob eine Vor- und Nacherbschaft, oder eine Vollerbeneinsetzung des überlebenden Ehegatten gewollt ist. Bei einem "zweifelhaften" Ehegattentestament ist daher daran zu denken, vorsorglich die Ausschlagung zu erklären, zumindest, wenn feststeht, dass der Pflichtteil geltend gemacht werden soll. Die Ausschlagung sollte dann für den Fall erklärt werden, dass sich herausstellt, dass seitens des Erblassers eine Vor- und Nacherbschaft gewollt war.
Rz. 399
In einem solchen Fall handelt es sich nicht um eine ausschlagungsfeindliche Bedingung im Sinne von § 1947 BGB. Denn die Tatsache bzw. der Wille des Erblassers, dass eine Vor- und Nacherbschaft vorliegt, steht zum Zeitpunkt der Ausschlagung bereits fest. Insoweit handelt es sich nicht um eine echte rechtsgeschäftliche Bedingung, sondern um eine so genannte unschädliche Gegenwartsbedingung.
Hinweis
Zur Wahrung der Frist muss die notariell beglaubigte Ausschlagungserklärung dem Nachlassgericht innerhalb der Sechs-Wochen-Frist auch zugegangen sein.