Rz. 163

Bis zur WEG-Reform 2020 war die Abberufung aus wichtigem Grund regelmäßig die einzige Möglichkeit für eine Gemeinschaft, sich vorzeitig (d.h. vor dem Ende der vereinbarten Bestellungszeit) von ihrem Verwalter zu trennen. Da nach dem jetzigen Recht die Abberufung jederzeit möglich ist, spielt der "wichtige Grund" nur noch für das Stimmrecht des Verwalters und für den Fortbestand seines Vergütungsanspruchs eine Rolle. Eine Rechtsprechungsübersicht der wichtigen Gründe findet sich im Abschnitt über die Anfechtung des Bestellungsbeschlusses“ (→ § 10 Rdn 68).

a) Stimmverbot

 

Rz. 164

Ein Stimmverbot analog § 25 Abs. 4 WEG greift ein, wenn ein Wohnungseigentümer Verwalter oder mit dem Verwalter wirtschaftlich derart verbunden, dass man sie interessengemäß als Einheit betrachten kann; dann unterliegt der betreffende Eigentümer bei der Abstimmung über seine Abberufung aus wichtigem Grund einem Stimmverbot. Grund dafür ist der allgemeine Rechtsgedanke, dass ein Mitglied einer Personenvereinigung nicht an der Beschlussfassung von ihm gegenüber aus wichtigem Grund beteiligt sein soll ("Richter in eigener Sache").[256] Ob der wichtige Grund, auf den der Abberufungsantrag gestützt wurde, tatsächlich vorliegt oder nicht, kann der Versammlungsleiter bei der Abstimmung nicht wissen; das steht zwangsläufig nämlich erst im Nachhinein (nach einer eventuellen gerichtlichen Überprüfung) fest. Bei der Abstimmung kommt es deshalb nur darauf an, dass ein wichtiger Grund behauptet wird.[257] Die Problematik ist strukturell dieselbe wie bei der "majorisierten Bestellung" (→ § 10 Rdn 71).

 

Rz. 165

Der Verwalter unterliegt nach zutreffender h.M. auch dann einem Stimmverbot, wenn er zwar nicht selbst Miteigentümer ist, aber von Miteigentümern (weisungsungebunden)[258] mit deren Vertretung bevollmächtigt wurde.[259] Zwar ist § 25 Abs. 4 WEG dem Wortlaut nach nicht einschlägig, weil der Verwalter nicht als Eigentümer an der Abstimmung teilnimmt. Die Bestimmung ist nach ihrem Sinn und Zweck aber analog anzuwenden, denn die Gefahr einer an Eigeninteressen orientierten Wahrnehmung des Stimmrechts liegt auf der Hand: Selbstverständlich wird der Verwalter stets gegen seine eigene außerordentliche Abberufung stimmen, ohne dabei Rücksicht auf die Belange der Gemeinschaft zu nehmen. Generell sollte der Verwalter in Angelegenheiten, in denen er als Miteigentümer einem Stimmverbot unterläge, auch nicht als Vertreter abstimmen. In diesem Sinne verneinte die Rspr. auch schon mehrfach die gleichgelagerte Frage, ob der Verwalter bei der Beschlussfassung über seine eigene Entlastung als Vertreter von Miteigentümern mitstimmen dürfe (→ § 10 Rdn 338).

 

Rz. 166

Teilweise wird vertreten, der (vom Stimmrecht ausgeschlossene) Miteigentümer-Verwalter könne ihm erteilte Vollmachten im Wege der Untervollmacht weiter übertragen, sofern "dies nicht dem Ziel dient, einen Stimmrechtsausschluss zu umgehen",[260] insbesondere wenn die Untervollmacht nicht mit einer Weisung verbunden sei, die dem Stimmrechtsausschluss zuwider laufe.[261] Wenn der Verwalter bei der Übertragung der Vollmacht auf den Unterbevollmächtigten also nicht direkt die Weisung erteilt, gegen seine Abberufung zu stimmen, wäre nach dieser Ansicht die Weiterübertragung der Vollmacht und das Stimmrecht des Unterbevollmächtigten also wirksam. Das ist aber als lebensfremd abzulehnen: Selbstverständlich wird der Verwalter die Vollmacht nur an eine solche Person weitergeben, von der er eine Abstimmung in seinem Sinne erwarten kann; außerdem ist praktisch kaum der Nachweis zu führen, dass eine Weisung erteilt wurde.

[257] OLG Stuttgart v. 19.12.2012 – 14 U 10/12, NZG 2013, 498 Rn 164 (betr. GmbH-Geschäftsführer); str. Ausf. BeckOGK WEG/Greiner, § 26 Rn 261.
[258] Im Fall einer Weisung ist das Ergebnis kein anderes, als wenn der Vertretene selbst mitgestimmt hätte, weshalb der Verwalter nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen ist (LG Hamburg v. 2.2.2022 – 318 S 31/21, Rn 35).
[259] LG Köln v. 7.7.2016 – 29 S 180/15, ZMR 2016, 907; Staudinger/Häublein, § 25 Rn 106.
[260] Hügel/Elzer, § 25 Rn 36.
[261] LG Karlsruhe v. 27.5.2002 – 14 Wx 91/01, ZMR 2003, 289; OLG Zweibrücken v. 11.3.2002 – 3 W 184/01, NZM 2002, 345; Staudinger/Häublein, § 25 Rn 148.

b) Der Vergütungsanspruch

 

Rz. 167

§ 26 Abs. 3 S. 2 WEG besagt nicht, dass der abberufene Verwalter in jedem Fall seinen Anspruch auf Vergütung behält; das Gesetz begrenzt nur einen fortbestehenden Vergütungsanspruch auf längstens sechs Monate (→ § 10 Rdn 18). Der Vergütungsanspruch des abberufenen Verwalters bleibt gem. § 326 Abs. 2 BGB trotz Unmöglichkeit der Leistungserbringung bestehen, wenn die Gemeinschaft für die Unmöglichkeit (also die Abberufung) allein oder weit überwiegend zu vertreten hat. Der Vergütungsanspruch erlischt hingegen zugleich mit dem Wirksamwerden der Abberufung, wenn der Verwalter die Unmöglichkeit weiterer Leistung (also die Abberufung) zu vertreten h...

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