a) Allgemeines
Rz. 170
Den Abberufungsbeschluss kann jeder Miteigentümer anfechten. Wenn die Abberufung aber nicht geradezu willkürlich "aus Jux und Tollerei" heraus beschlossen wurde, wird eine Anfechtungsklage (sofern keine Formfehler der Beschlussfassung vorliegen) keinen Erfolg haben können, denn die Entscheidung, sich vom Verwalter zu trennen, fällt in den Beurteilungsspielraum der Gemeinschaft. Der Beschluss könnte nur dann gerichtlich für ungültig erklärt werden, wenn er "objektiv nicht mehr vertretbar" ist (→ § 10 Rdn 59), und es ist nicht ersichtlich, wann das der Fall sein könnte. Der Auffassung es müsse sachlich nachvollziehbare Gründe für die Abberufung geben, ist entgegenzuhalten, dass bei Vertrauensentscheidungen auch "gefühlte" Gründe ausreichen; ist das Vertrauen verloren gegangen – egal aus welchem Grund – ist das ein ausreichender sachlicher Grund für eine Abberufung. Zwar hat die Abberufung die nachteilige Folge, dass die Gemeinschaft noch weitere sechs Monate lang Vergütung "für Nichtstun" bezahlen muss, aber wenn eine Gemeinschaft diese Folge in Kauf nimmt, müssen das die überstimmten Eigentümer hinnehmen. Es ist auch nicht richtig, dass der Abberufungsbeschluss anfechtbar sei, wenn den Eigentümern die nachteilige Folge ihres Tuns (temporär weiterlaufende Pflicht zur Zahlung von Vergütung) nicht klar gewesen sei (Entscheidung ohne ausreichende Kenntnis der Tatsachengrundlage). Abgesehen davon, dass völlig unklar ist, auf welche oder wie viele Eigentümer diesbezüglich abgestellt werden sollte, fällt es generell in den Beurteilungsspielraum der Eigentümer, ob sie sich über die Konsequenzen ihres Tuns viele oder wenig Gedanken machen. Zudem steht es allen Eigentümern – insbesondere denen, die der Abberufung widersprechen wollen –, frei, in der Versammlung über die Konsequenzen des Abberufungsbeschlusses zu informieren und zu diskutieren. Unterblieb das – aus welchen Gründen auch immer –, kann daraus kein Anfechtungsgrund konstruiert werden.
Rz. 171
Nach dem alten Recht konnte auch der Verwalter den Abberufungsbeschluss anfechten, was er häufig zur Sicherung seiner Vergütungsansprüche tat (auch wenn dies nach der Trennungstheorie nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre). Dabei ging es oft um viel Geld, denn für die Vergütungsansprüche gab es– anders als jetzt – keine zeitliche Grenze (außer dem Ende der Vertragslaufzeit). Nach dem jetzigen Recht kann der Verwalter nicht anfechten. Seinen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung (für max. 6 Monate) muss er im Wege der Zahlungsklage geltend machen. Anfechtungsklagen gegen Abberufungsbeschlüsse werden also selten werden. Vor dem Hintergrund ihrer schwindenden Bedeutung soll die umfangreiche und teilweise schwer verständliche zum alten Recht ergangene Rechtsprechung zum Thema "Anfechtung des Abberufungsbeschlusses" hier nur noch kurz dargestellt werden.
Rz. 172
Weil auf der Basis der Trennungstheorie der Verwaltervertrag und die Bestellung verschiedene Wege gehen können, hat der BGH ein spezielles Rechtsschutzsystem entwickelt. Das Verwalteramt sei nur zusammen mit dem Verwaltervertrag von Interesse; deshalb müsse zugleich mit der Anfechtung des Abberufungsbeschlusses die Feststellung beantragt werden, dass der Verwaltervertrag weiter gelte. Im Zweifel soll eine Anfechtungsklage gegen den Abberufungsbeschlusse im Wege interessengerechter Auslegung so zu verstehen sein. Mit der Klage ist also stets zweierlei beantragen: Die Ungültigerklärung des Abberufungsbeschlusses und die Feststellung, dass der Verwaltervertrag durch die Abberufung weder sofort endete noch nach Ablauf von 6 Monaten enden wird. Der Streitwert wird durch die Stellung zweier Anträge nicht höher, weil diese wirtschaftlich auf das Gleiche gerichtet sind.
Rz. 173
Der Ablauf der Bestellungszeit lässt das Rechtsschutzinteresse für die Fortführung der Anfechtungsklage nicht entfallen. Die Vergütungsansprüche des Verwalters hängen nämlich von der Bestellung ab, da sie spätestens sechs Monate nach der Abberufung enden. Wird der Abberufungsbeschluss bestandskräftig, steht diese Folge fest. Vor der WEG-Reform wurde allerdings ein Rechtsschutzinteresse für die Fortsetzung einer Anfechtungsklage nach dem Ablauf der Bestellungszeit verneint. Als Begründung wurde angegeben, dass dem Verwalter eine zu Unrecht entzogene Rechtsstellung nachträglich nicht mehr eingeräumt werden könne und sich die Vergütungsansprüche nicht aus der Organstellung, sondern aus dem Verwaltervertrag ergäben. Das war aber schon nach dem alten Recht nicht überzeugend und ist nach dem neuen Recht überholt, weil der Vertrag – und damit die Vergütungsansprüche – kraft Gesetzes vom Bestand der Bestellung abhängt.