Rz. 240
Die Notgeschäftsführungskompetenz gem. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG erfasst die Maßnahmen, über die eine Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümer zwar an sich geboten im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist, die aber eine rasche Entscheidung verlangen, um einen Nachteil zu verhindern. Inhaltsgleiche Bestimmungen enthielt schon das Recht vor der WEG-Reform 2020, weshalb auf die hierzu ergangene Rspr. zurückgegriffen werden kann.
Rz. 241
Die Bedeutung der Norm ist aus zwei Gründen gering: zum einen hängt, wie bereits thematisiert, das Vertretungsrecht des Verwalters nicht davon ab, ob im Innenverhältnis eine Handlungsbefugnis besteht oder nicht. Zum anderen kann ein die Notkompetenz begründender Eilfall nur dann vorliegen kann, wenn wegen der Eilbedürftigkeit die Einberufung einer Eigentümerversammlung nicht einmal unter Verkürzung der Ladungsfrist möglich sein sollte, was aber regelmäßig der Fall ist. Ein Notgeschäftsführungsrecht dient aber nicht dazu, Versäumnisse des Verwalters auszugleichen. Wenn der Verwalter bspw. in Kenntnis von Baumängeln bis zum Tag vor Ablauf der Gewährleistungsfrist untätig blieb, ist zwar eine Eilbedürftigkeit gegeben, weil an diesem letzten Tag verjährungshemmende gerichtliche Maßnahmen eingeleitet werden müssen; objektiv betrachtet war aber die Einberufung einer Eigentümerversammlung vor Fristablauf möglich. Deshalb liegen in einem solchen Fall die Voraussetzungen des Notgeschäftsführungsrechts nicht vor. Nach altem Recht konnte sich dies verheerend auswirken, weil mit dem Notgeschäftsführungsrecht auch die daran gekoppelte Vertretungsmacht entfiel. Das ist nach jetzigem Recht anders: der Verwalter kann aufgrund seines Vertretungsrechts gem. § 9b Abs. 1 eine Klage oder ein Beweisverfahren auch ohne interne Befugnis bei Gericht anhängig machen. Er handelt jedenfalls mit Vertretungsmacht, weshalb eine eventuelle spätere Genehmigung der Maßnahme nur eine Art einzelfallbezogene "Entlastung" im Innenverhältnis darstellt. Aber Achtung: In Baumängelstreitigkeiten mit dem Bauträger kann die Gemeinschaft nicht aus eigenem Recht, sondern nur auf der Grundlage der zuvor durch Beschluss "vergemeinschafteten" Mängelrechte ihrer Mitglieder tätig werden. Leitet der Verwalter in solchen Fällen ein Beweis- oder Klageverfahren ein, ohne dass die Mängelrechte zuvor vergemeinschaftet wurden, fehlt es an der Aktivlegitimation. Die Vergemeinschaftung kann zwar nachgeholt werden, aber in Bezug auf die Verjährung kommt dem Beschluss keine Rückwirkung zu und kann den zwischenzeitlichen Eintritt der Verjährung nicht heilen. In solchen Fällen ist dem Verwalter zu empfehlen, gerichtliche Schritte (vollmachtlos) im Namen der Wohnungseigentümer statt der Gemeinschaft einzuleiten, denn eine vollmachtlos erhobene Klage hemmt die Verjährung; später kann sich der Verwalter dann um die Genehmigung seiner Handlungen durch die Wohnungseigentümer bemühen.
Rz. 242
Wenn ein Notgeschäftsführungsrecht besteht, umfasst es nur (Not-)Maßnahmen zur Beseitigung der Gefahrenlage, nicht jedoch die Beauftragung solcher Arbeiten, die einer dauerhaften Beseitigung der Schadensursache dienen. Für die eigentliche Reparaturmaßnahme bedarf es wiederum eines Beschlusses der Gemeinschaft.