I. Grundlagen
Rz. 231
Die Befugnisse des Verwalters im Außenverhältnis (die (Vertretungsmacht) regelt § 9b Abs. 1 (→ § 10 Rdn 303). Das Innenverhältnis (oft meistens als Geschäftsführung bezeichnet) bedarf in zweifacher Richtung der Regelung: Was darf und was muss der Verwalter tun? § 27 WEG regelt diese Fragen trotz der Überschrift "Aufgaben und Befugnisse" nur teilweise. Die Bestimmung erweckt den Anschein, als ob der Verwalter kraft Gesetzes nur die in § 27 Abs. 1 WEG beschriebenen Aufgaben (von untergeordneter Bedeutung) hätte. Das Gegenteil ist richtig: Der Verwalter ist all- bzw. universalzuständig. Er hat sich ohne Einschränkung um alles zu kümmern, was zur Verwaltung des Gemeinschaftseigentums erforderlich ist. § 27 WEG besagt nur, dass der Verwalter für die Umsetzung seiner Pflichten, also für den Gebrauch seiner im Außenverhältnis unbeschränkten Vertretungsmacht, stets eines Beschlusses bedarf, außer in den in § 27 Abs. 1 WEG genannten Fällen. Soweit er Maßnahmen auf der Grundlage seiner gesetzlichen oder ihm durch Beschluss (oder Verwaltervertrag) eingeräumten Befugnisse durchführen kann, muss er das tun; fehlt es an der erforderlichen Befugnis, muss er auf die entsprechende Beschlussfassung der Gemeinschaft hinarbeiten und diese vorbereiten.
Rz. 232
Die Allzuständigkeit des Verwalters ergibt sich aus seiner Stellung als Organ der Gemeinschaft (zum Begriff → § 10 Rdn 1). Die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums obliegt gem. § 18 Abs. 1 WEG zwar rechtlich betrachtet der Gemeinschaft, der praktische Vollzug aber obliegt dem Verwalter, der – anders als nach dem alten Recht – diesbezüglich nur der Gemeinschaft, nicht aber den einzelnen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet ist (zur Organisationsstruktur auch → § 6 Rdn 1). Damit vollzog die WEG-Reform 2020 eine sinnvolle Angleichung an das (sonstige) Gesellschaftsrecht. Ein Blick auf die Rechtsstellung der Geschäftsleiter anderer Verbände (z.B. Geschäftsführer einer GmbH) verdeutlicht das: Ein GmbH-Geschäftsführer hat die umfassende Pflicht, die satzungsmäßigen Ziele der von ihm geführten Gesellschaft zu fördern und alles zu tun, was diesbezüglich erforderlich ist. Wer auch sonst? Genau zu diesem Zweck bestellen die Gesellschafter einen Geschäftsführer. Die umfassende Geschäftsführungspflicht steht aber in keinem Gesetz, sondern wird vorausgesetzt; sie ergibt sich mit Zwangsläufigkeit aus der Natur der Sache. Allen Geschäftsleitern ist aber gemeinsam, dass sie den Weisungen ihrer jeweiligen Gesellschaft unterworfen sind. So bedeutet auch die "Allzuständigkeit" des WEG-Verwalters (als "Geschäftsleiter" der Wohnungseigentümergemeinschaft) nicht etwa, dass er ohne Rückkoppelung an die Eigentümer nach Belieben von seiner (fast) unbeschränkten Vertretungsmacht gem. § 9b Abs. 1 WEG Gebrauch machen dürfte. Im Innenverhältnis ist er an die Beschlüsse der Gemeinschaft gebunden; dazu nachfolgend.
Rz. 233
Die Wohnungseigentümer können gem. 27 Abs. 2 WEG die Rechte und Pflichten des Verwalters durch Beschluss festlegen. (Im Gegensatz zur Formulierung in § 27 Abs. 1 WEG, wo von "Aufgaben und Befugnissen" die Rede ist, spricht Abs. 2 von "Rechten und Pflichten", ein inhaltlicher Unterschied besteht aber nicht. Die Begriffe werden synonym verwendet: Aufgaben = Pflichten, Rechte = Befugnisse.) Die Wohnungseigentümer können etwa allgemeine Wertgrenzen oder Maßnahmenkataloge aufstellen. Sie können dem Verwalter aber auch im Einzelfall Aufgaben zuweisen oder ihm entziehen. Inhaltliche Schranken bestehen jenseits des immer geltenden Grundsatzes ordnungsmäßiger Verwaltung nicht. Teilweise wird zwar vertreten, es gebe einen "vereinbarungsfesten Kernbereich" der Verwalteraufgaben, für dessen Beschränkung es an der Beschlusskompetenz fehle; aber nicht nur nach dem Wortlaut, sondern auch nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sind alle Verwalteraufgaben disponibel. Das ermöglicht es Verwaltern bspw., Kleingemeinschaften mit einem reduzierten Pflichtenkreis zu verkraftbaren Kosten zu übernehmen.
Rz. 234
Der übliche und passende Ort zur Regelung der Aufgaben und Befugnisse ist der Verwaltervertrag. Es ist bekanntlich der Sinn eines jeden Vertrags, die wechselseitigen Rechte und Pflichten festzulegen; für den Verwaltervertrag gilt nichts anderes (→ § 10 Rdn 106). Die Aufgaben und Befugnisse können aber auch in der Weise festgelegt werden, dass sie nicht nur für den aktuellen Verwalter gelten, sondern "ein für alle Mal" für alle bzw. für den jeweiligen Verwalter. Hierfür können die Eigentümer einen separaten (Dauer-)Beschluss nach § 27 Abs. 2 WEG fassen.
Rz. 235
Muster 10.22: Dauerbeschluss gem. § 27 Abs. 2 WEG zur Regelung der Rechte und Pflichten des Verwalters
Muster 10.22: Dauerbeschluss gem. § 27 Abs. 2 WEG zur Regelung der Rechte und Pflichten des Verwalters
Der jeweilige Verwalter/die jeweilige Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft Heinestraße 12, 75234 Musterstadt hat folgende Rechte und Pflichten: (es folgt der Text des § 2 des Musterverwaltervertrags → § 14 Rdn 1)