Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 103
Für Tätigkeiten im Vorverfahren vor der Verwaltungsbehörde erhält der Verteidiger eine Verfahrensgebühr nach Nrn. 5101, 5103 oder 5105 VV RVG. Außerdem können Terminsgebühren für jeden Tag gemäß Nrn. 5102, 5104 oder 5106 VV RVG anfallen. Das Besondere an diesen Gebühren im Vorverfahren ist, dass sie von der Höhe der Geldbuße abhängig sind.
Hinweis:
Dadurch, dass die Gebühren von der Höhe des Bußgelds abhängig sind, richten sich die Gebühren in ihrer Höhe indirekt nach der Bedeutung der Bußgeldsache für den Beschuldigten. Bei 60,00 EUR liegt die Grenze für Eintragungen in das Verkehrszentralregister, sodass die Sachen unterhalb nur geringe Bedeutung für den Betroffenen haben.
Rz. 104
Vorbemerkung 5.1 VV RVG bestimmt in Absatz 2, dass die zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße maßgebend ist. Ist eine Geldbuße (noch) nicht festgesetzt, so wird im Vorverfahren von der durch die entsprechende Bußgeldvorschrift angedrohten Geldbuße ausgegangen. Falls in der Bußgeldvorschrift ein Mindest- und ein Höchstbetrag der Geldbuße vorgeschrieben ist, soll der mittlere Betrag davon zugrunde gelegt werden. Der mittlere Betrag errechnet sich durch die Addition des Mindest- und des Höchstbetrages geteilt durch zwei. Dies kann z. B. dann eine Rolle spielen, wenn die Sache bereits im Vorverfahren niedergeschlagen wird ohne dass letztlich ein Bußgeldbescheid ergeht.
Rz. 105
Die Verfahrensgebühr im Vorverfahren (Vorverfahrensgebühr) entsteht gemäß Vorbemerkung 5, Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Entgegennahme der notwendigen Informationen. Sie entsteht also bereits in dem ersten Gespräch mit dem Mandanten.
Rz. 106
Die Terminsgebühr im Vorverfahren entsteht für jeden Tag, an dem ein Termin stattfindet und erwächst gemäß Vorbemerkung 5.1.2, Abs. 2 VV RVG auch für die Teilnahme an Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde.
Hinweis:
Eine besondere Terminsgebühr für außergerichtliche Termine – z. B. für Haftprüfungstermine wie in Strafsachen (Nr. 4102 VV RVG) – gibt es im Bußgeldverfahren nicht. Nur für die Teilnahme an Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde entsteht gemäß Vorbemerkung 5.1.2, Abs. 2 VV RVG die Terminsgebühr im Vorverfahren (Nrn. 5102, 5104, 5106 VV RVG).
Rz. 107
Das Vorverfahren beginnt mit dem Eingang einer Anzeige oder der Aufnahme von Ermittlungen. Es endet mit der Einstellung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde oder der Zustellung eines Bußgeldbescheids. Aber auch das Einspruchsverfahren, insbesondere also auch das Zwischenverfahren, gehört noch zum Vorverfahren, sodass es folglich erst mit dem Eingang der Akten bei Gericht endet (Vorbemerkung 5.1.2, Abs. 1 VV RVG). Da die Vorverfahrensgebühr eine Pauschgebühr ist, ist es gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt der RA seine Tätigkeit beginnt. Er erhält die Gebühr also, wenn er z. B. mit dem Ausfüllen des Fragebogens bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit beginnt oder wenn er erst nach Zustellung des Bußgeldbescheids den Auftraggeber darüber berät, ob und in welchem Umfang er Einspruch einlegen soll und den Einspruch dann namens des Auftraggebers einlegt. Der Umfang der Anwaltstätigkeit ist jedoch gemäß § 14 RVG bei der Bestimmung der Gebühr innerhalb des Rahmens zu beachten.
Beispiel:
RA Gütrich hat während des Ermittlungsverfahrens den seinem Auftraggeber übersandten Fragebogen ausgefüllt, 4 Fotokopien aus der Ermittlungsakte angefertigt und zwei Schriftsätze erstellt. Die Ermittlungsakte wurde RA Gütrich mit der Post zugesandt. Gegen den daraufhin ergangenen Bußgeldbescheid (Bußgeld 30,00 EUR) wurde, nachdem RA Gütrich seinen Auftraggeber entsprechend beraten hat, kein Einspruch eingelegt. Es lagen Umstände mittlerer Art vor.
Berechnung der Vergütung (Bußgeldsache, Vorverfahren):
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Grundgebühr gem. §§ 2 Abs. 2, 14 RVG, Nr. 5100 VV RVG |
110,00 EUR |
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Vorverfahrensgebühr bei einer Geldbuße von weniger als 60,00 EUR gem. §§ 2 Abs. 2, 14 RVG, Nr. 5101 VV RVG |
71,50 EUR |
20 % |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
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Dokumentenpauschale gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7000 Ziff. 1 Lit. a) VV RVG (4 Kopien) |
2,00 EUR |
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Auslagen für die Aktenversendungspauschale (Nr. 9003 KV GKG) |
12,00 EUR |
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215,50 EUR |
19 % |
USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG |
40,95 EUR |
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256,45 EUR |
Rz. 108
Da nach § 17 Nr. 11 RVG das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde eine vom Hauptverfahren verschiedene Angelegenheit ist, entsteht jeweils eine Verfahrensgebühr im Vorverfahren und im Hauptverfahren, wenn der RA im Vorverfahren und im Hauptverfahren tätig geworden ist. Es müssen für beide Verfahren getrennte Vergütungsrechnungen erstellt werden. Die beiden Verfahrensgebühren werden nicht aufeinander angerechnet.
Merke zum Bußgeldverfahren:
Das Vorverfahren endet mit der Einstellung des Verfahrens oder der Zustellung eines Bußgeldbescheids. Das Zwischenverfahren nach Einspruch gehört noch zum Vorverfahren.
Der RA erhält neben einer Gru...