Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 99
Wie vorstehend dargestellt, unterteilt sich das Bußgeldverfahren im Wesentlichen in zwei Verfahrensabschnitte: das Verwaltungsverfahren (Vorverfahren) und das gerichtliche Verfahren (Hauptverfahren). Für jeden dieser Verfahrensabschnitte erhält der RA Gebühren nach Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses des RVG. Weitere Gebühren können für das Rechtsbeschwerdeverfahren entstehen.
Rz. 100
Die Gebührenstruktur für die anwaltliche Vertretung in Bußgeldsachen entspricht den vorstehend vorgestellten Gebühren in Strafsachen. Genauso wie in Strafsachen besteht eine Dreiteilung der Gebühren: Der RA erhält eine Grundgebühr, Verfahrensgebühren und Terminsgebühren. So wie die Vorbemerkung 5 VV RVG im Wesentlichen der Vorbemerkung 4 entspricht so kann für die Erläuterung der Gebühren auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.
Rz. 101
Der Aufbau des Vergütungsverzeichnisses ist in Teil 5 genauso vorgenommen worden wie in Strafsachen: in der linken Randspalte finden sich die Betragsrahmengebühren für den Wahlverteidiger und in der rechten Randspalte stehen die Festgebühren für den Pflichtverteidiger. Wegen der Gebühren des Pflichtverteidigers wird auf die vorstehenden Kapitel über die Gebühren in Strafsachen verwiesen, insbesondere auf Rdn 58 ff. Die Gebühren des Wahlverteidigers werden nach § 14 RVG bestimmt, in der Regel wird von der Mittelgebühr ausgegangen.
1. Die Grundgebühr im Bußgeldverfahren
Rz. 102
Genauso wie im Strafverfahren entsteht die Grundgebühr gemäß Nr. 5100 VV RVG für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall. Die Grundgebühr entsteht zusätzlich zu einer Verfahrensgebühr. Der RA kann die Grundgebühr nur einmal erhalten, gleichgültig, in welchem Verfahrensabschnitt er das Mandat übernimmt.
Die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG entsteht gemäß Anmerkung Abs. 2 nicht, wenn ein Strafverfahren vorausgegangen ist, das in ein Bußgeldverfahren übergegangen ist, da dann bereits eine (höhere) Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG verdient worden ist. Die anderen eventuell im Strafverfahren verdienten Gebühren werden nach § 17 Ziff. 10 Lit. b) RVG nicht angerechnet.
Beispiel:
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach einem Verkehrsunfall gegen den schuldigen Fahrer wegen fahrlässiger Körperverletzung. Da weder öffentliches Interesse vorliegt noch ein Strafantrag vom Verletzten gestellt wird, stellt der Staatsanwalt die strafrechtlichen Ermittlungen ein und gibt die Sache an die Verwaltungsbehörde ab, da der Fahrer ein Verkehrsschild ("Vorfahrt gewähren!") übersehen hatte. Die Verwaltungsbehörde verfolgt nun diese Ordnungswidrigkeit. Der Fahrer wurde von Anfang an anwaltlich vertreten. Nach § 17 Ziff. 10 Lit. b) RVG handelt es sich gebührenrechtlich um zwei verschiedene Angelegenheiten. Der RA verdient die Gebühren also in zwei Angelegenheiten, soll aber die Grundgebühr für eine nur einmalige Einarbeitung nicht doppelt erhalten. Verfahrens- und Terminsgebühren aus der Strafsache sind jedoch nicht auf die entsprechenden Gebühren in der Bußgeldsache anzurechnen, da eine diesbezügliche Anrechnungsvorschrift fehlt.
2. Die Gebühren im Vorverfahren
Rz. 103
Für Tätigkeiten im Vorverfahren vor der Verwaltungsbehörde erhält der Verteidiger eine Verfahrensgebühr nach Nrn. 5101, 5103 oder 5105 VV RVG. Außerdem können Terminsgebühren für jeden Tag gemäß Nrn. 5102, 5104 oder 5106 VV RVG anfallen. Das Besondere an diesen Gebühren im Vorverfahren ist, dass sie von der Höhe der Geldbuße abhängig sind.
Hinweis:
Dadurch, dass die Gebühren von der Höhe des Bußgelds abhängig sind, richten sich die Gebühren in ihrer Höhe indirekt nach der Bedeutung der Bußgeldsache für den Beschuldigten. Bei 60,00 EUR liegt die Grenze für Eintragungen in das Verkehrszentralregister, sodass die Sachen unterhalb nur geringe Bedeutung für den Betroffenen haben.
Rz. 104
Vorbemerkung 5.1 VV RVG bestimmt in Absatz 2, dass die zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße maßgebend ist. Ist eine Geldbuße (noch) nicht festgesetzt, so wird im Vorverfahren von der durch die entsprechende Bußgeldvorschrift angedrohten Geldbuße ausgegangen. Falls in der Bußgeldvorschrift ein Mindest- und ein Höchstbetrag der Geldbuße vorgeschrieben ist, soll der mittlere Betrag davon zugrunde gelegt werden. Der mittlere Betrag errechnet sich durch die Addition des Mindest- und des Höchstbetrages geteilt durch zwei. Dies kann z. B. dann eine Rolle spielen, wenn die Sache bereits im Vorverfahren niedergeschlagen wird ohne dass letztlich ein Bußgeldbescheid ergeht.
Rz. 105
Die Verfahrensgebühr im Vorverfahren (Vorverfahrensgebühr) entsteht gemäß Vorbemerkung 5, Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Entgegennahme der notwendigen Informationen. Sie entsteht also bereits in dem ersten Gespräch mit dem Mandanten.
Rz. 106
Die Terminsgebühr im Vorverfahren entsteht für jeden Tag, an dem ein Termin stattfindet und erwächst gemäß Vorbemerkung 5.1.2, Abs. 2 VV RVG auch für die Teilnahme an Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde.
Hinweis:
Eine besondere Terminsgebühr für außergerichtliche Termine – z. B....