Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 23
Insbesondere im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt es in der Regel zu einer Reihe von Terminen, an denen der Verteidiger sinnvollerweise teilnimmt. Es kann sich dabei z. B. um Vernehmungen des Beschuldigten oder von Zeugen handeln. Die Teilnahme des RA an solchen Terminen ist durchaus zweckmäßig und auch im Interesse seines Mandanten, da sich hierdurch die Chance erhöht, dass das Verfahren abgekürzt oder eingestellt werden kann. Für diese Art von Terminswahrnehmung erwächst dem Verteidiger die Terminsgebühr für Termine außerhalb der Hauptverhandlung gemäß Nr. 4102 VV RVG.
Diese Gebühr kann – da sie in "Unterabschnitt 1. Allgemeine Gebühren" steht – auch in den anderen Verfahrensabschnitten bis hin zu den Rechtsmittelinstanzen entstehen, wenn der RA an bestimmten Terminen außerhalb der Hauptverhandlung teilnimmt, wie z. B. an kommissarischen Vernehmungen oder Haftprüfungsterminen. Diese Terminsgebühr wird allerdings im Gegensatz zu den Terminsgebühren für die Teilnahme an den Hauptverhandlungen nicht höher entlohnt, wenn das Verfahren vor höheren Gerichten stattfindet.
Rz. 24
Nach Nr. 4102 VV RVG erhält der Verteidiger diese Terminsgebühr für die Teilnahme an
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richterlichen Vernehmungen und Augenscheinseinnahmen, |
(2) |
Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft oder andere Strafverfolgungsbehörden, |
(3) |
Terminen außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird, |
(4) |
Verhandlungen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs, |
(5) |
Sühneterminen nach § 380 StPO. |
Zu (1) und (2): |
Hier geht es um die Teilnahme an Vernehmungen. Das bedeutet, dass der RA bei der Vernehmung nur anwesend sein muss, um die Gebühr zu verdienen. |
Zu (3): |
Die bloße Teilnahme des RA an Haftprüfungsterminen und ähnlichen Terminen ist hier nicht ausreichend, da der Gesetzestext verlangt, dass "verhandelt" wird. Es muss in einem solchen Termin also schon über die Anordnung oder Dauer der Haft verhandelt werden. Die Teilnahme an einem kurzen Haftbefehlsverkündungstermin lässt folglich die Gebühr nicht entstehen (OLG Jena, Beschluss vom 15.10.2013 – 1 Ws 344/13), es sei denn, nach der Verkündung des Haftbefehls schließt sich eine Verhandlung über die Fortdauer der Haft an. |
Zu (4): |
Laut Begründung des Gesetzgebers zum Entwurf des Gesetzestextes wird im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs die Teilnahme an einem Termin vorausgesetzt. Der RA muss sich also an den Verhandlungen in einem Termin beteiligen. Telefongespräche mit z. B. dem Opfer oder eine Schlichtung im schriftlichen Verfahren lassen die Gebühr nicht entstehen, da dies kein Termin ist. |
Zu (5): |
Der Sühnetermin nach § 380 StPO ist ein Termin vor einer so genannten Vergleichsbehörde. Telefongespräche oder andere Gespräche außerhalb eines Termins werden die Gebühr nicht entstehen lassen. |
Rz. 25
Tatsächlich erhält der RA aber diese Terminsgebühr nicht immer bereits für die Teilnahme an jedem Termin. In der Anmerkung zu Nr. 4102 VV RVG ist eine etwas komplizierte Regelung getroffen worden, wonach
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mehrere Termine an einem Tag als ein Termin gelten und |
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im vorbereitenden Verfahren (Ermittlungsverfahren) und in jedem Rechtszug diese Terminsgebühr an jeweils bis zu drei Terminen nur einmal entstehen kann. |
Beispiel:
Ein Verteidiger hat im Ermittlungsverfahren an vier Terminen im Sinne der Nr. 4102 VV RVG teilgenommen, wovon zwei Termine an einem Tag stattfanden.
Im Strafprozess kommt es in der ersten Instanz zu sechs solcher Termine, wovon wieder zwei Termine an einem Tag stattfanden.
Eine Terminsgebühr erhält der RA im Ermittlungsverfahren nur einmal, da nur drei der Termine zählen. Im Strafprozess bekommt er die Terminsgebühr zweimal, da von den sechs Terminen zwei als einer zählen, was insgesamt fünf Termine ausmacht; für die ersten drei Termine entsteht die Gebühr und für die nächsten zwei Termine entsteht noch eine.
Merke:
Die Terminsgebühr für Termine außerhalb der Hauptverhandlung entgilt im Vorverfahren und in jedem Rechtszug bis zu drei Terminswahrnehmungen, wobei mehrere Termine an einem Tag als ein Termin zählen.
Also ergibt sich jeweils nach dem vierten Tag eine neue Terminsgebühr.