Rz. 1

In den vorangegangenen Kapiteln wurde vor allem der Frage nachgegangen, welche Vergütung der Erblasser in welcher Höhe für den Testamentsvollstrecker festlegen kann und wie die Vergütung für einen Testamentsvollstrecker festzulegen ist, wenn eine Bestimmung durch den Testator fehlt und daher die angemessene Vergütung gefunden werden muss.

Nach der Intention des Gesetzgebers[1] und dem einhelligen Schrifttum ist eigentlich zu erwarten, dass der Erblasser die Vergütung festsetzt. Der Vergütungsbestimmung durch den Erblasser, für die es, wie vorstehend gezeigt wurde, mehr Varianten gibt als gemeinhin angenommen, gebührt auf jeden Fall der Vorrang vor irgendwelchen Überlegungen in Bezug auf die Angemessenheit eines Honorars. Eine Grenze wird lediglich durch die allgemeinen Schranken, beispielsweise die Sittenwidrigkeit, gezogen.[2]

 

Rz. 2

Wie sieht es aber in der tatsächlichen Praxis aus? Stimmt es, dass es nur in geringem Umfang vorkommt, dass ein Erblasser die Vergütung für den Testamentsvollstrecker selbst bestimmt? Stimmt es, wie man nach der Heftigkeit der Streitigkeiten der Erben mit ihrem Testamentsvollstrecker um die Höhe der Vergütung annehmen könnte, dass Erblasser, wenn sie Vergütungen selbst festsetzen, diese eher niedrig festsetzen? Dem Erblasser und seinem Berater sollte folgende reale Situation ("Lebensweisheit") bewusst sein:

Die Praxis zeigt, dass es kaum ein anderes Rechtsgebiet gibt, das zu so unangenehmen, unangemessenen, unerwarteten, erbitterten und oft peinlichen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten führt wie das Erbrecht, sobald der Erbfall eingetreten ist. In vermeintlich intakten Familien, zwischen scheinbar friedlichen und einander zugewandten Geschwistern brechen Gräben auf, treten Begehrlichkeiten und Neid zutage und werden Animositäten sichtbar. Was zu Lebzeiten des Erblassers an vermeintlichen Ungerechtigkeiten um des lieben Familienfriedens willen sozusagen unter den Teppich gekehrt worden ist, tritt nunmehr zu Tage und wird – da keine Rücksichtnahme auf den Erblasser mehr nötig ist – offen ausgetragen.

 

Rz. 3

Dann aber ist es für einen Testamentsvollstrecker besonders prekär und unerquicklich, mit der Verhandlung über seine "angemessene Vergütung" gem. § 2221 BGB die angespannte Atmosphäre zu belasten, wenn der Erblasser die Vergütung nicht im Testament festgesetzt hat, umso mehr dann, wenn er es mit einer Erbengemeinschaft zu tun hat, die ohnehin schon in sich zerstritten ist.

 

Rz. 4

Es ist nach den praktischen und psychologischen Erfahrungen auch kaum möglich, einen am besten geeigneten Zeitpunkt für die Verhandlung des Testamentsvollstreckers mit den Erben über seine Vergütung zu finden. Wird der Zeitpunkt "zu früh" gewählt, nämlich vor Amtsübernahme, also recht bald nach dem Tod des Erblassers, so liegt der Vorwurf der Pietätlosigkeit und des Vorrangs des finanziellen Interesses des Testamentsvollstreckers vor den Bedürfnissen des Nachlasses und der Erben nahe. Wird der Zeitpunkt "zu spät" gewählt, so ist die Verhandlungsposition des Testamentsvollstreckers naturgemäß geschwächt und die Möglichkeit scheidet praktisch aus, die Übernahme des Amtes abzulehnen. In diesem Fall muss der Testamentsvollstrecker sich mit derjenigen Vergütung begnügen, welche die Erben ihm freiwillig zugestehen, oder er muss sich auf eine gerichtliche Auseinandersetzung einrichten. Das wäre bei von Amts wegen besonders geeignet erscheinenden Testamentsvollstreckern – wie bspw. Rechtsanwälten, Notaren oder Steuerberatern – oft ein geradezu peinliches Unterfangen, weil in den meisten Fällen ein spezielles Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und dem Erblasser bestand. Dazu gehören zumeist fundierte Kenntnisse der familiären und wirtschaftlichen, aber auch der gesellschaftlichen Gegebenheiten. Ein solches Vertrauensverhältnis schließlich mit einem Prozess über die Vergütung des Testamentsvollstreckers beenden zu müssen, ist unwürdig.

 

Rz. 5

Alle diese Erkenntnisse und Erfahrungen sollten einen Berater stets veranlassen, die Vergütungsfrage mit dem Erblasser offen anzusprechen und ihm aus den zuvor geschilderten Gründen nahezulegen, die Vergütung für den Testamentsvollstrecker im Testament festzulegen. Aber nicht nur aus der zuvor beschriebenen Einsicht ist die Festsetzung der Vergütung durch den Erblasser praktikabel und sinnvoll, sondern auch deswegen, weil der Erblasser selbst am besten beurteilen kann, welche Aufgaben auf den Testamentsvollstrecker zukommen, mit welchen Problemen zu rechnen ist, welchen Zeitraum die Testamentsvollstreckung in Anspruch nehmen dürfte und wie schwerwiegend die Verantwortung sein wird. Auch kann der Erblasser natürlich selbst am besten den wirklichen Wert des Nachlasses beurteilen.

 

Rz. 6

Zu dieser Frage und zahlreichen dazugehörigen Aspekten gibt es eine rechtstatsächliche Untersuchung,[3] in welcher der Verfasser die Ergebnisse aus Recherchen vorstellt, die bei 171 Nachlassgerichten im gesamten Bundesgebiet durch Einsichtnahme in knapp 2.000 Testamente mit einer Testamentsv...

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