Rz. 29
Im Schrifttum und in der Praxis ist eine merkwürdige Ambivalenz zu erkennen, wenn es um die Frage geht, wie nachdrücklich ein Berater einem Erblasser empfehlen sollte, die Vergütung für den Testamentsvollstrecker in der letztwilligen Verfügung zu bestimmen.
Einerseits wird darauf hingewiesen, dass viele Menschen sich bei der Frage nach ihrem letzten Willen wie gelähmt fühlen (vgl. § 1 Rdn 1). Bei Gesprächen mit Notaren und Rechtsanwälten, die handschriftliche Testamente entworfen haben, wird immer wieder die Auffassung geäußert, dass manche Erblasser in einer emotional aufgeladenen Testamentserrichtung nicht bereit seien, sich noch mit den schwierigen Aspekten einer Vergütungsbestimmung zu befassen. Um nicht die Testamentserrichtung als Ganzes scheitern zu lassen, werde die Frage der Vergütung dann einfach nicht weiter thematisiert.
Rz. 30
Andererseits wird im Schrifttum dankenswerterweise immer häufiger der dringende Rat gegeben, dem Erblasser die Vergütungsfrage nahe zu bringen und ihm die Regelung der Vergütung zu empfehlen. In den obigen Kapiteln wird wiederholt auf eine Beratungsnotwendigkeit in diesem Sinne hingewirkt (vgl. § 2 Rdn 50). Der dortige Hinweis ist so deutlich, dass er hier noch einmal zitiert werden sollte: "Jeder, der mit der Gestaltung von Testamenten befasst ist, die eine Testamentsvollstreckung anordnen, sollte u.E. seinen Einfluss dazu nutzen, die Vergütungsfrage in der letztwilligen Verfügung im Interesse der Sache und der Beteiligten präzise zu regeln." In ähnlicher Weise berichten Schiffer/Rott über die Vehemenz, mit der oft zwischen Erben und Testamentsvollstrecker über die Vergütung gestritten wird, wenn es keine Festlegung durch den Erblasser gibt. Es wird geraten, schon in der letztwilligen Verfügung selbst für eine klare Vergütungsregelung zu sorgen. Auch Reimann macht sich für ein solches Vorgehen stark: "Die Vergütungsfrage sollte gerade bei notariell beurkundeten Verfügungen, auch in den Vorbesprechungen, nicht tabuisiert oder übergangen werden."
Auch aus der Praxis hört man immer wieder von Notaren oder Rechtsanwälten, die mit dem Entwurf von Testamenten öfter zu tun haben, dass eine einfühlsame und eingehende Aufklärung des Erblassers über die entstehenden Schwierigkeiten einerseits, aber auch über die vielfältigen Möglichkeiten sowie die Problemvermeidung andererseits, in den häufigsten Fällen dazu führt, dass der Testator die Vergütung für den Testamentsvollstecker in der letztwilligen Verfügung bestimmt. Danach – so wird berichtet – seien die Erblasser zumeist dankbar und erleichtert, die Vergütungsfrage geregelt und damit Probleme von den Erben und dem Testamentsvollstrecker abgewendet zu haben.
Rz. 31
Dennoch bleibt zu fragen, warum es trotz dieser Empfehlungen und Erfahrungsberichte verhältnismäßig selten vorkommt, dass die Vergütungsfrage geregelt ist. Könnte es daran liegen, dass die Berater lieber den Weg des geringsten Widerstandes gehen und die Erblasser damit beruhigen, dass der Testamentsvollstrecker ja sozusagen automatisch einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung hätte?
Diese Annahme könnten Schiffer/Rott auf den Punkt gebracht haben, wenn sie formulieren: "Für die meisten Berater erweist es sich regelmäßig schlicht als einfacher und damit – aus ihrer Sicht – wirtschaftlich vernünftiger, die Frage der Vergütung des Testamentsvollstreckers überhaupt nicht anzusprechen und die Auseinandersetzung mit der Thematik auf die Zeit nach dem Ableben des Erblassers zu vertagen."
Könnte die Bequemlichkeit vieler Berater wirklich zu der geringen Anzahl von Vergütungsbestimmungen des Testators beigetragen haben? Das wäre aus der Sicht der Testamentsvollstrecker und auch der auf einen Streit zusteuernden Erben geradezu frustrierend, weil die Beteiligten durch das mangelnde Engagement solcher Berater oft gezwungen werden dürften, alle bekannten Probleme mit der Berechnung und Durchsetzung der angemessenen Vergütung zu meistern.