aa) Freie Verfügungsmöglichkeit des Überlebenden
Rz. 87
Ist dem überlebenden Ehegatten beim gemeinschaftlichen Testament die Möglichkeit offengehalten, durch letztwillige Verfügung einen anderen Schlusserben als den vorgesehenen einzusetzen, so rechtfertigt diese Möglichkeit allein noch nicht das Verlangen eines Erbscheins, sofern es keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen weiteren Abänderungsverfügung gibt. Da ein gemeinschaftliches Testament von zwei Erblassern errichtet wurde, ist es sowohl beim Tod des Erststerbenden als auch beim Tod des Überlebenden zu eröffnen. Deshalb gibt es auch zwei Eröffnungsniederschriften.
OLG Frankfurt:
Zitat
"Wird zum Nachweis der Erbfolge ein notarieller Erbvertrag vorgelegt, darf das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins nicht deswegen fordern, weil nicht auszuschließen ist, dass weitere letztwillige Verfügungen existieren, durch die der Erbvertrag ungültig geworden sein könnte. Hat das Grundbuchamt dagegen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich eine wirksame spätere Verfügung von Todes wegen vorliegt, durch die die Erbfolge geändert worden ist, kann es verlangen, dass der Nachweis der Erbfolge durch einen Erbschein geführt wird."
Rz. 88
Das Grundbuchamt hat auch die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments zu beurteilen, soweit dafür keine weiteren tatsächlichen Ermittlungen erforderlich sind.
bb) Gemeinschaftliches Testament nach Ehescheidung
Rz. 89
Ist die Ehe geschieden, so kann durch ein gemeinschaftliches Testament nach der Scheidung der für die Grundbuchberichtigung erforderliche Nachweis der Erbfolge nicht mehr geführt werden, weil § 2268 BGB i.V.m. § 2077 BGB eine Vermutung für das Unwirksamwerden des gemeinschaftlichen Testaments enthält.
cc) Berichtigung des Grundbuchs bei Pflichtteilssanktionsklausel im Berliner Testament
Rz. 90
Hatten sich Eltern gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben eingesetzt und im gemeinschaftlichen Erbvertrag bestimmt, dass ein Kind bei Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden auch nach dem Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten soll, so muss gegenüber dem Grundbuchamt auch der Nachweis des Nichteintritts der auflösenden Bedingung geführt werden. Den Kindern muss bei der Grundbuchberichtigung nach dem letztverstorbenen Elternteil aber die Möglichkeit eingeräumt werden, durch inhaltlich übereinstimmende, von jedem von ihnen abzugebende eidesstattliche Versicherung den Nachweis zu führen, dass keines der Kinder nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils den Pflichtteil verlangt hat.
Rz. 91
Die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen im Sinne der Pflichtteilssanktionsklausel ("Sollten die Kinder … nach dem Tode ihres Vaters als Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend machen, so sollen sie nach dem Tode des Letztversterbenden von uns ebenfalls nur pflichtteilsberechtigt sein …") erfordert ein entsprechendes ernsthaftes Verlangen des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben, nicht dessen erfolgreiche, womöglich gerichtliche Durchsetzung oder die wirksame Ausschlagung des Nacherbes.
dd) Notarielles Testament und Scheidungsklausel
Rz. 92
Dazu der BGH:
Zitat
Einem Nachweis der Erbfolge des überlebenden Ehegatten gem. § 35 Abs. 1 S. 2 GBO steht nicht entgegen, dass die letztwillige Verfügung eine dem § 2077 Abs. 1 BGB entsprechende Scheidungsklausel enthält, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass deren Voraussetzungen erfüllt sind.
Das gilt auch, wenn die Scheidungsklausel abweichend von § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB vorsieht, dass die letztwillige Verfügung bereits dann unwirksam sein soll, wenn der überlebende Ehegatte einen Scheidungsantrag gestellt hat.