Rz. 134

Für viele Berater ist eines ist der undurchsichtigsten Kapitel in der Abwicklung eines Insolvenzverfahrens, die Geltendmachung einer Insolvenzanfechtungen durch den Insolvenzverwalter.

 

Rz. 135

Nachstehend soll ihnen durch die Zeittabelle vermittelt werden, innerhalb welcher Zeiträume ein Insolvenzverwalter Anfechtungsanprüche gegenüber einem Insolvenzgläubiger geltend machen kann. Immer wieder werden wir damit konfrontiert, dass es ja unglaublich sei, dass der Verwalter sogar Zeiträume die bis zu 10 Jahre zurückliegen, der Insolvenzanfechtungen unterwerfen kann.

1. Allgemeines

 

Rz. 136

Grundsätzlich setzt eine Insolvenzanfechtungen voraus, dass eine vor Insolvenzeröffnung oder in den Fällen des § 147 InsO nach Insolvenzeröffnung erfolgte Rechtshandlung zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger geführt hat. Zwischen der Rechtshandlung und der Benachteiligung muss ein Zurechnungszusammenhang bestehen. Werden dann die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 130136 InsO verwirklicht, greift die Insolvenzanfechtung durch. Die Insolvenzanfechtung muss nach § 146 Abs. 1 InsO, § 195 BGB innerhalb eines Zeitraumes von 3 Jahren seit Verfahrenseröffnung geltend gemacht werden. Da die allgemeinen Verjährungsvorschriften eingreifen, sind die entsprechenden Hemmungsmöglichkeiten auch bei einer Insolvenzanfechtung gegeben. Ist grundsätzlich Verjährung des Anfechtungsanspruchs gegeben, so kann die Insolvenzanfechtung -was in der Praxis häufig vorkommt – noch als Einrede gem. § 146 Abs. 2 InsO geltend gemacht werden.

 

Rz. 137

Auch Zwangsvollstreckungshandlungen sind, obwohl ein Schuldtitel vorliegt, der Insolvenzanfechtung zugänglich. Die anzufechtende Rechtshandlung gilt grundsätzlich als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO).

2. Zeittabelle

 

Rz. 138

 
Zeitpunkt Anfechtungsgründe
Mind. 10 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Mögliche Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO (Vorsätzliche Benachteiligung)
Mögliche Anfechtung nach § 135 Nr. 1 InsO (Sicherung der Rückgewähr eines kapitalersetzenden Darlehens)
Mind. 4 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Mögliche Anfechtung nach § 134 InsO (Unentgeltliche Leistung)
Mind. 2 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Mögliche Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO (Entgeltlicher Vertrag mit nahestehender Person)
Mind. 1 Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Mögliche Anfechtung nach § 135 Nr. 2 InsO (Rückgewähr eines kapitalersetzenden Darlehens)
Mögliche Anfechtung nach § 136 InsO (Einlagenrückgewähr oder Erlass des Verlustanteils eines Stillen Gesellschafters)
Mind. 3 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Mögliche Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Deckungsanfechtung bei Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners)
Mögliche Anfechtung nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Unmittelbar nachteilige Rechtshandlung und Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners)
2 bis 3 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Mögliche Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO (Inkongruente Deckung bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners)
Mögliche Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Inkongruente Deckung bei Kenntnis des Gläubigers von der Gläubigerbenachteiligung)
Mind. 1 Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Mögliche Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Inkongruente Deckung)
Nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Anfechtbar nach allen Anfechtungstatbeständen
Rechtshandlungen nach Verfahrenseröffnung
Eine Anfechtung von Rechtshandlungen nach Verfahrenseröffnung kommt dann in Betracht, wenn diese entgegen den Regelungen in den §§ 80, 91 InsO wegen des Gutglaubensschutzes bei Registergeschäften wirksam sind.

3. Kurzdarstellung der wichtigsten Anfechtungstatbestände in Übersichtsform

 

Rz. 139

 

§ 130 Anfechtung kongruenter Deckungen

Die Anfechtbarkeit einer dem Gläubiger gebührenden (kongruenten) Sicherung oder Befriedigung (Deckung) wird durch § 130 InsO erreicht. Grundsätzlich darf ein Gläubiger darauf vertrauen, dass er vertragsgerecht erhaltene Leistungen auch behalten darf. Dieser Rechtssatz erfährt aber im Insolvenzverfahren eine Einschränkung. Hat der Gläubiger aber in diesem Zusammenhang Kenntnis von einer Krise, so verliert er den Vertrauensschutz.

 

Rz. 140

Zeitlicher Anwendungsbereich:

Nr. 1: innerhalb der letzten drei Monate vor dem Antrag
Nr. 2: nach dem Antrag

Objektive Voraussetzungen:

Sicherung oder Befriedigung
Nr. 1: Zahlungsunfähigkeit
Nr. 2: Eröffnungsantrag
kein Bargeschäft, § 142 InsO
keine Wechsel- oder Scheckzahlung, deren Anfechtung nach § 137 InsO ausgeschlossen ist
zumindest mittelbare Gläubigerbenachteiligung

Subjektive Voraussetzungen:

Nr. 1: Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit
Nr. 2: Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrages
Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, steht gleich (Abs. 2)
bei nahestehenden Personen wird Kenntnis ve...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge