Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
Rz. 24
Mitunter fehlt, insbesondere in privatschriftlichen Verfügungen, eine ausdrückliche Regelung über die Rechtsfolgen der Trennung, weil sich die Beteiligten bei der Abfassung keine Gedanken über die Trennung gemacht haben. Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung deutet weder bei privatschriftlichen noch bei notariellen Verfügungen zwingend darauf hin, dass die Erbeinsetzung auch eine Trennung überdauern soll. Es kann sich im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung ergeben, dass mit einer Trennung die Zuwendung an den Lebensgefährten entfallen soll. Ein solcher mutmaßlicher Wille des Erblassers kann sich m.E. in einer den Anforderungen der Andeutungstheorie genügenden Weise darin manifestieren, dass er "meine Lebensgefährtin" bedacht hat. Allerdings kommt es stets auf die näheren Einzelumstände an. Das BayObLG hat hierin in einem Sonderfall nur eine Motivangabe und keine Bedingung gesehen. Die Trennung der Partner habe die gegenseitige Erbeinsetzung daher nicht hinfällig gemacht. Die Rechtsprechung lehnt regelmäßig eine Bedingung ab.
Rz. 25
Lässt sich der letztwilligen Verfügung keine entsprechende Andeutung des Erblasserwillens entnehmen, so wird die Streitfrage virulent, ob § 2077 BGB analoge Anwendung auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft findet mit der Folge, dass letztwillige Zuwendungen an den Lebensgefährten mit einer Trennung der Partner gegenstandslos werden. Die h.M. verneint eine Analogie. Diese Ansicht verdient Zustimmung. § 2077 BGB knüpft an die Auflösung, den Scheidungs- oder Aufhebungsantrag der Ehe und damit an formalisierte und leicht nachprüfbare Beendigungstatbestände an. Der Auszug eines Partners aus der Wohnung lässt sich hiermit nicht vergleichen. Die h.M. bürdet die Beweislast mithin demjenigen auf, der sich auf die Unwirksamkeit der Zuwendung beruft. Dieser Streit um die Beweislast kann erhebliche praktische Folgen haben. Folgt man der h.M., so kommt aus Sicht der Übergangenen nur eine Anfechtung der letztwilligen Verfügung wegen Motivirrtums (§ 2078 Abs. 2 BGB) in Betracht. Dabei ist insbesondere die einjährige Anfechtungsfrist zu beachten, die mit dem Zeitpunkt in Gang gesetzt wird, in dem der Anfechtungsberechtigte vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Dies ist regelmäßig der Moment, in dem der Anfechtungsberechtigte vom Scheitern der Partnerschaft sichere Kenntnis hat. Es kann jedoch im Einzelfall dem hypothetischen Willen eines Erblassers entsprechen, dass, wenn er bei bestehender nichtehelicher Lebensgemeinschaft an Demenz erkrankt, nicht mehr ansprechbar wird und stationär untergebracht werden muss, sodass die gelebte Partnerschaft in der bisherigen Form faktisch nicht mehr fortgeführt werden kann, er weiterhin den Lebensgefährten mit seinem hälftigen Erbe auch für den Fall bedenken will, dass dieser sich nach Ausbruch der Demenzerkrankung einem neuen Lebensgefährten zuwendet und diesen heiratet. Dann ist für eine Motivanfechtung kein Raum.
Rz. 26
Häufig wünschen die testierenden Beteiligten, dass eine Anfechtung wegen Motivirrtums ausgeschlossen wird. Dies kann sachgerecht sein, weil auf diese Weise verhindert wird, dass der Anfechtungsberechtigte einen Anfechtungsgrund schafft, etwa durch Wiederheirat. In diesem Fall empfiehlt es sich, in den Erbvertrag einen ausdrücklichen Verzicht auf das Anfechtungsrecht nach §§ 2078, 2079 BGB aufzunehmen, der sich auch auf solche Umstände erstrecken soll, mit denen die Erblasser bei Errichtung des Erbvertrages nicht rechnen und die sie in diesem Zeitpunkt auch nicht voraussehen können.
Rz. 27
Soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden ist der Fall, dass der Lebensgefährte durch letztwillige Verfügung bedacht wird, man anschließend heiratet und später geschieden wird. Ist der Bedachte bei Errichtung der letztwilligen Verfügung mit dem Testator verlobt, so findet § 2077 BGB nach heute h.M. Anwendung, nicht dagegen wenn er "nur" Lebensgefährte ohne gegenseitiges Eheversprechen ist.