Dr. Wolfgang Kürschner, Karl-Hermann Zoll
Rz. 65
Grundsätzlich kann aufgrund eines Vertrags nur derjenige den Ersatz eines Schadens verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt. Tritt der Schaden bei einem Dritten ein, so haftet ihm der Schädiger – von besonderen Ausnahmen abgesehen (vgl. § 618 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 844, 845 BGB) – nur nach Deliktsrecht. Diese Unterscheidung zwischen begünstigter Vertragshaftung und begrenzter Deliktshaftung gehört zum System des geltenden Haftungsrechts und ist nicht nur ein theoretisches Dogma. Nur in besonderen Fällen hat die Rechtsprechung Ausnahmen zugelassen, nämlich dann, wenn das durch den Vertrag geschützte Interesse infolge besonderer Rechtsbeziehungen zwischen dem aus dem Vertrag berechtigten Gläubiger und dem Träger des Interesses dergestalt auf den Dritten "verlagert" ist, dass der Schaden rechtlich ihn und nicht den Gläubiger trifft. Daraus darf der Schädiger keinen Vorteil zum Nachteil des Dritten ziehen: er muss dem Gläubiger den Drittschaden ersetzen. Das gilt – von den seltenen Fällen einer "Gefahrentlastung" abgesehen – dann, wenn der Gläubiger für Rechnung des Dritten kontrahiert hatte oder wenn die Sache, deren Obhut der Schuldner versprochen hatte, nicht dem Gläubiger, sondern dem Dritten gehörte. Eine Drittschadensliquidation kommt in der Regel nur bei vertraglichen Ansprüchen in Betracht; bei deliktischen Ansprüchen ist sie nur in Form der Gefahrentlastung und der mittelbaren Stellvertretung und nur insoweit zulässig, als ihr ein Anspruch aus Amtspflichtverletzung, Verletzung eines Schutzgesetzes oder aus § 826 BGB zugrunde liegt.
Rz. 66
Der Vertragspartner/Inhaber der verletzten Rechtsstellung kann auf Leistung von Schadensersatz an sich selbst oder an den Geschädigten klagen. Der Geschädigte kann zudem gemäß § 285 BGB Abtretung des Schadensersatzanspruchs an sich selbst fordern. Mit der Liquidation durch den Vertragspartner muss der Geschädigte zumindest einverstanden sein. Die Drittschadensliquidation soll verhindern, dass dem Schädiger durch vertragliche Vereinbarungen zwischen seinem Gläubiger und einem Dritten, die den Schaden vom Gläubiger auf den Dritten verlagern, ein ungerechtfertigter Vorteil entsteht. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Ersatzberechtigten und dem Dritten sind für den Schädiger grundsätzlich ohne Bedeutung. Kann beim Frachtgeschäft der Auftraggeber des Hauptfrachtführers seinen bei der Beförderung des Gutes entstandenen Schaden vom ausführenden Frachtführer nur in dem Umfang ersetzt verlangen, den er mit seinem Vertragspartner, dem Hauptfrachtführer, vereinbart hat, so ist der Hauptfrachtführer aus dem mit seinem Auftraggeber geschlossenen Vertrag verpflichtet, den überschießenden Differenzbetrag im Wege der Drittschadensliquidation gegenüber dem ausführenden Frachtführer geltend zu machen und diesen Anspruch gegebenenfalls seinem Auftraggeber abzutreten. Daneben können dem Geschädigten Ansprüche aus Delikt zustehen.