Dr. Wolfgang Kürschner, Karl-Hermann Zoll
Rz. 79
Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB wegen Pflichtverletzung trotz ansonsten mangelfreier Hauptleistung können entstehen, wenn der Gläubiger Schaden erleidet, weil der Schuldner leistungsbezogene Nebenpflichten, beispielsweise zur ordnungsgemäßen Aufklärung, Beratung, Verpackung, Lieferung verletzt. Ferner besteht – wie oben ausgeführt (Rdn 72) – die Pflicht, sich bei Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Körper, Leben, Eigentum und sonstigen Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden. Ein Werkunternehmer (vgl. zum Werkvertrag näher Rdn 149 ff.) hat insbesondere die vertragliche Nebenpflicht, mit dem Eigentum des Bestellers, das seiner Einwirkung unmittelbar ausgesetzt ist, pfleglich umzugehen und es vor Schaden zu bewahren; welche Sicherungspflichten damit jeweils konkret verbunden sind, lässt sich – soweit die Parteien darüber keine besonderen Vereinbarungen getroffen haben – nicht allgemein, sondern nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilen. Was danach erforderlich ist, richtet sich nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte. Der Werkstattinhaber, der ein Fahrzeug zur Reparatur annimmt, muss für die nötigen Vorkehrungen zur Sicherung gegen Diebstahl sorgen, was bedeuten kann, dass er auch in einer ordnungsgemäß verschlossenen und gesicherten Werkstatt zum Schutz vor Entwendung die Türen und Fenster des Fahrzeugs zu verriegeln sowie den Zündschlüssel abzuziehen und gesondert aufzubewahren hat oder dass er im Winter dafür zu sorgen hat, dass kein Schaden durch Einfrieren des Kühlwassers entstehen kann. Aber auch der Fahrzeughalter muss den Werkstattinhaber unter Umständen darauf hinweisen, dass kein Frostschutzmittel im Kühler ist.
Rz. 80
Zur Diebstahlsicherung reicht es aus, wenn der Werkstatthof verschlossen und mit einer zwei Meter hohen Mauer umgeben ist. Duldet der Werkstattinhaber es nur, dass in seiner Werkstatt der Kraftwagenhalter mit eigenen Hilfskräften den Wagen wieder instand setzt, kommt dadurch ein Werkvertrag nicht zustande. Selbst wenn der den Raum zur Verfügung Stellende die Heranziehung eigenen Personals duldet, ist das noch kein Werkvertrag; es besteht mithin keine Haftung des Werkstattinhabers bei einem Unfall des Kundenfahrzeugs: Wenn ein Tankstelleninhaber die von einem Kunden begehrte zusätzliche Leistung nicht erbringen will, kann er immerhin doch die Heranziehung seines Personals hierzu in dem Sinne dulden, dass er ihr nicht im Hinblick auf die ihm selbst entgehende Arbeitsleistung widersprechen will. In einem solchen Fall scheidet indessen eine Haftung des Geschäftsinhabers für Schäden aus, die der Angestellte dem Kunden bei Ausführung des Auftrages zufügt. Die Obhutspflicht bezüglich des zu reparierenden Wagens endet mit der Rückgabe des Autoschlüssels. Der Aushändigung des Schlüssels an den Kunden direkt steht die Rückgabe des Schlüssels an einen mit der Abholung des Wagens beauftragten Angehörigen des Kunden gleich, auch wenn dieser Arbeitnehmer des Werkstattunternehmers ist. Der Werkstattunternehmer haftet demnach nicht für einen Fahrzeugdiebstahl, der sich nach Aushändigung des Schlüssels an den Angehörigen des Kunden noch auf dem Werkstattgelände ereignet.
Rz. 81
Die Parteien eines Kaufvertrags (vgl. zum Kauf unten Rdn 116 ff.) sind einander verpflichtet, auf die Vermeidung von Unfallschäden im Rahmen der Vertragsabwicklung zu achten. Hier deckt sich die vertragliche Nebenverpflichtung weitgehend mit der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, kann aber auch weiter reichen. Der Kunde muss sich in den Räumen des Vertragspartners bewegen können, ohne Gefahren ausgesetzt zu sein, denen er auch bei Anwendung der zumutbaren, eigenen Vorsicht nicht zuverlässig begegnen könnte. Regenglätte des Fußbodens am Eingang eines Ladens muss der Geschäftsinhaber vermeiden. An den verkehrssicheren Zustand des Fußbodens sind generell strenge Anforderungen zu stellen. Im Allgemeinen dürfen Reinigungsmaßnahmen nicht in Anwesenheit des Kunden durchgeführt werden. Wird der Fußboden einer Obst- oder Gemüseabteilung etwa alle 15–20 Minuten und bei Bedarf auch außer der Reihe von herabgefallenen Gegenständen gereinigt, so begegnet dies auch unter Berücksichtigung der gesteigerten Anforderungen in ausreichender Weise den besonderen Gefahren einer Obst- und Gemüseverkaufsfläche. Eine absolute Verkehrssicherheit kann nicht erreicht und deshalb auch redlicherweise nicht erwartet werden. Die Gefahr, dass ein Kunde von einem flüchtenden Dieb umgestoßen und verletzt wird, ist als so entfernt liegende Möglichkeit einer Gefährdung anzusehen, dass hiergegen Vorkehrungen nicht zu treffen sind. Die Gefahr der Verletzungen durch andere Personen im Kaufhaus stellt sich als so ungewöhnlich und eigenartig dar, dass dem verkehrssicherungspflichtigen Kaufhausinhaber nicht zumutbar ist, hiergegen Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Vgl. i.Ü zur Verkehrssicherungspflicht von Verkaufsflächen a...