Dr. Wolfgang Kürschner, Karl-Hermann Zoll
Rz. 112
§ 281 BGB: Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung
(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.
(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.
(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.
(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den § 346 bis 348 berechtigt.
Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Erfüllungsanspruchs hat ein Gläubiger primär ein Recht auf Erfüllung seines Anspruchs in natura. Unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger anstelle der ursprünglich geschuldeten Leistung Schadensersatz in Geld fordern kann, bestimmt sich nach § 281 BGB bis § 283 BGB. Ohne dass eine sachliche Änderung damit verbunden wäre ist anstelle des früher im BGB verwendeten Begriffs "Schadensersatz wegen Nichterfüllung" mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ("SMG", v. 26.11.2001, BGBl I, 3138; vgl. dazu näher oben Rdn 68 ff.) der Begriff "Schadensersatz statt der Leistung" eingeführt worden. Ein darauf gerichteter Anspruch erfasst nicht nur ein nach den Grundsätzen des Schadensersatzrechts (§ 249 BGB) bestimmtes Geldäquivalent für die Leistung, sondern auch Folgeschäden, das heißt weitere Schäden, die dem Gläubiger in Folge der Nichterfüllung entstehen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Gläubiger seinen Anspruch auf die primäre Leistung, gleichgültig ob er auf Vertrag oder Gesetz beruht, durch Fristsetzung in einen Schadensersatzanspruch "transformiert", das heißt, gemäß § 281 Abs. 4 BGB Schadensersatz statt der Leistung "verlangt". § 281 Abs. 2 BGB beschreibt, wann ausnahmsweise die Fristsetzung entbehrlich ist.
Rz. 113
Abgrenzung: Soweit durch eine Pflichtverletzung endgültig ein im Wege einer Nachbesserung oder Ersatzlieferung nicht zu beseitigender Schaden entstanden ist, ist § 280 Abs. 1 BGB (vgl. dazu insbesondere § 11 B) die einschlägige Norm; demgegenüber betreffen die Vorschriften §§ 281–284 BGB nur solche Schäden, die durch Erfüllung oder Nacherfüllung behoben werden können. § 281 Abs. 1 BGB erfasst verschiedene Fälle von Leistungsstörungen: Der Schuldner leistet überhaupt nicht oder er erbringt die Leistung quantitativ oder qualitativ nicht wie geschuldet. Damit wurden die Fälle sachmangelhafter Leistung in das allgemeine Leistungsstörungsrecht integriert. Weitere Voraussetzung (neben dem fruchtlosen Ablauf einer gesetzten Nachfrist) für den Übergang vom Primäranspruch auf den Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung ist gemäß § 281 Abs. 1 S. 3 BGB, dass der Sach- oder Rechtsmangel nicht unerheblich ist.
Rz. 114
Der Anwendungsbereich des § 281 BGB erstreckt sich im Grundsatz auf alle vertraglichen und gesetzlichen Leistungsansprüche; ausgenommen sind Ansprüche, die auf Leistung von Geld gerichtet sind sowie Schadensersatzansprüche auf Naturalrestitution, für die § 250 BGB lex specialis ist.
Rz. 115
Der Schadensersatzanspruch aus § 281 Abs. 1 BGB ist inhaltlich auf das positive Interesse gerichtet, was bedeutet, dass der Gläubiger so zu stellen ist, wie er stehen würde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte.