Vermieter kann Schadensersatz weiterhin fiktiv berechnen
Hintergrund: Vermieter rechnet Schäden fiktiv ab
Der Vermieter einer Wohnung verlangt vom Mieter nach Ende des Mietverhältnisses Schadensersatz. Der Mieter hatte erforderliche Schönheitsreparaturen trotz Fristsetzung nicht ausgeführt, einen selbst verlegten Bodenbelag und selbst verlegte Fliesen nicht entfernt sowie Schäden im Treppenhaus verursacht. Ein vom Vermieter eingeholter Kostenvoranschlag kalkulierte die erforderlichen Arbeiten auf 7.500 Euro netto.
Der Vermieter ließ den vom Mieter verlegten Bodenbelag entfernen und einen neuen Boden verlegen. Die übrigen Arbeiten ließ er nicht ausführen. Nun verlangt er vom Mieter hinsichtlich aller Schäden die im Kostenvoranschlag ausgewiesenen voraussichtlichen Netto-Kosten als Schadensersatz.
Vor Amts- und Landgericht hatte die Klage keinen Erfolg. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch stehe dem Vermieter nicht zu, da diesem eine fiktive Schadensberechnung zugrunde liege. Der VII. Zivilsenat des BGH habe für das Werkvertragsrecht entschieden, dass eine fiktive Schadensberechnung auf Basis eines Kostenvoranschlags nicht mehr möglich sei (Urteil v. 22.2.2018, VII ZR 46/17). Diese Rechtsprechung sei auf das Mietrecht übertragbar. Auch soweit er die Arbeiten habe ausführen lassen, stehe dem Vermieter kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Ausgeführte Arbeiten könnten nicht auf Basis eines Kostenvoranschlags berechnet werden.
Entscheidung: Fiktive Schadensberechnung bleibt im Mietrecht zulässig
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und weist den Rechtsstreit dorthin zurück.
Soweit der Mieter geschuldete Schönheitsreparaturen nicht ausgeführt und den selbst eingebrachten Bodenbelag und selbst verlegte Fliesen nicht entfernt hat, kann der Vermieter Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen. Hinsichtlich der Schäden im Treppenhaus besteht ein Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung aus §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Schadensersatzansprüche statt der Leistung im Mietrecht auch mit den für die Instandsetzung oder -haltung oder für den Rückbau der Mietsache erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten ("fiktiven") Kosten bemessen werden. Hieran ist auch nach der geänderten Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs bezüglich des Werkvertragsrechts weiter festzuhalten. Denn die Erwägungen des VII. Zivilsenats beruhen allein auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts und sind – auch nach dessen Ansicht – auf andere Vertragstypen nicht übertragbar.
Zwar kennt auch das Mietrecht– wie das Werkvertragsrecht – unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für eine beabsichtigte Selbstvornahme. So kann einem Mieter bei Mietmängeln ein Vorschussanspruch zustehen; ebenso einem Vermieter, wenn sich der Mieter mit der Durchführung von Schönheitsreparaturen in Verzug befindet. Solch ein Vorschussanspruch besteht aber nur während des bestehenden Mietverhältnisses.
Auch besteht bei einer fiktiven Schadensberechnung im Mietrecht keine Gefahr einer Überkompensation. Zum einen darf der Geschädigte nur die zur Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Kosten beanspruchen. Zum anderen ist stets der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten.
Diese Erwägungen gelten auch für den Schadensersatzanspruch neben der Leistung wegen der Beschädigung der Mietsache. Auch diesen kann der Vermieter auf Grundlage der voraussichtlichen Kosten bemessen.
Das Landgericht, an das der BGH den Rechtsstreit zurückverwiesen hat, muss nun noch weitere Feststellungen zu Grund und Höhe der Ansprüche treffen.
(BGH, Urteil v. 19.4.2023, VIII ZR 280/21)
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