Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
Rz. 91
Faktisch ist es eine Einschränkung des Mandats, wenn der Anwalt nur als örtlicher Prozessvertreter am Sitz des Gerichts tätig wird, während der Kontakt zum Mandanten über den Verkehrsanwalt läuft. Rein (haftungs-)rechtlich betrachtet ist aber auch das Prozess-Mandat umfassend und keineswegs weniger riskant als die übliche anwaltliche Tätigkeit.
Allein dem Prozessanwalt obliegt nämlich die Pflicht zu einem ordnungsmäßigen prozessualen Handeln gegenüber dem Prozessgericht, und allein der Prozessanwalt ist auch dann in vollem Umfang für den Inhalt der bei Gericht eingereichten Schriftsätze verantwortlich, wenn der Verkehrsanwalt diese Schriftsätze entworfen hat. Mag der Prozessanwalt seine Distanzierung von diesen Schriftsätzen dadurch zum Ausdruck bringen, dass er sie nur mit seinem Stempel versieht, anstatt sie auf seinem Kanzleipapier noch einmal auszudrucken: mit solchen Gesten schützt der Prozessanwalt bestenfalls seine Reputation am Gerichtsort, nicht aber sich selbst vor der aus solchen Schriftsätzen möglicherweise resultierenden Haftung.
Rz. 92
Fertigt der Korrespondenzanwalt die Schriftsätze, muss er die Termine ebenso überwachen wie der Prozessanwalt.
Der Prozessanwalt und nicht der Verkehrsanwalt muss das Prozessgericht auf Fehler und Unklarheiten von (Beweis-)Beschlüssen hinweisen und versuchen, das Gericht von seiner Auffassung zu überzeugen. Hält der Prozessanwalt die vom Verkehrsanwalt vorgeschlagene Taktik für unzweckmäßig oder nachteilig, dann ist es an ihm, auf seine Bedenken hinzuweisen, wenn er vermeiden will, später ggf. vom Mandanten in Anspruch genommen zu werden.
Rz. 93
Der Verkehrsanwalt seinerseits ist zwar nicht verpflichtet, den Prozessanwalt zu überwachen, darf aber den gemeinsamen Mandanten nicht "ins offene Messer laufen lassen", wenn er erfährt, dass der Prozessanwalt seinen Pflichten nicht ausreichend nachkommt.
Beispiel: Rechtsmittel
Der Prozessanwalt übersendet das erstinstanzliche Urteil an den Mandanten ohne jegliche Belehrung über Rechtsmittelfristen und -aussichten. Auch stellt er nicht klar, dass er ohne ausdrückliche Weisung kein Rechtsmittel einlegt. In diesen Fällen haftet auch der Verkehrsanwalt, der das Schreiben kennt und trotzdem nicht bei dem Mandanten nachfragt, ob er hier die Einlegung der Berufung wünscht.
Allein verantwortlich ist der Verkehrsanwalt lediglich für Fehler, die aus seinem eigenen Pflichtenkreis stammen, etwa dann, wenn ein Schaden daraus resultiert, dass es im Informationsfluss zwischen ihm und dem gemeinsamen Mandanten zu Störungen kam. Außerdem ist es an ihm, den gemeinsamen Mandanten zu beraten – von den erwähnten Ausnahmen abgesehen.
Die Haftung trifft den Korrespondenzanwalt im Übrigen unabhängig davon, ob er für seine Bemühungen vom Mandanten auch bezahlt wird.