Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
Rz. 151
Den örtlichen Geltungsbereich des Mindestversicherungsschutzes im Sinne des Mindeststandards hat der Gesetzgeber in § 51 Abs. 3 Nr. 2–4 BRAO festgelegt.
Danach kann von der Versicherung die Haftung ausgeschlossen werden für Ersatzansprüche
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aus Tätigkeiten über in anderen Staaten eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros, |
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aus Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht, |
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aus Tätigkeiten des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten. |
Die Haftung für Ersatzansprüche aus allen übrigen Tätigkeiten hat der Berufshaftpflichtversicherer jedenfalls zu decken. Dieser negativ eingegrenzte Mindeststandard des Versicherungsschutzes ist im Pflichtversicherungsbereich nicht einschränkbar. Eine Einschränkung wird aber gelegentlich für den Teil der Deckung vorgenommen, der die Pflichtversicherungssumme übersteigt. Dieses Vorgehen ist rechtlich zumindest im Rahmen eines einheitlichen Vertrages zweifelhaft, denn § 113 Abs. 3 VVG ("Die Vorschriften dieses Abschnittes sind auch insoweit anzuwenden, als der Versicherungsvertrag eine über die vorgeschriebenen Mindestanforderungen hinausgehende Deckung gewährt.") bestimmt die Kongruenz zwischen Pflichtdeckung und freiwilligem Versicherungsschutz.
Es besteht grundsätzlich europaweite Deckung. Dies bedeutet, Rechtsanwälte können aus versicherungsrechtlicher Sicht im Recht eines jeden europäischen Landes beraten, vor europäischen Gerichten auftreten und vor europäischen Gerichten in Anspruch genommen werden.
§ 51 Abs. 3 BRAO sieht Einschränkungsmöglichkeiten vor, von denen in vielen Standardbedingungen Gebrauch gemacht wird. Es handelt sich hierbei um Tätigkeiten über in anderen Staaten (auch europäischen) eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros, um die Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht sowie um Tätigkeiten vor außereuropäischen Gerichten (Teil 2 A. Ziff. 3.1 AVB).
Sofern der Rechtsanwalt wegen eines gegen ihn gerichteten Haftpflichtanspruchs vor einem außereuropäischen Gericht in Anspruch genommen wird, besteht Versicherungsschutz grundsätzlich unabhängig von der vereinbarten Deckungssumme nur in Höhe der Mindestversicherungssumme (Teil 2 A. Ziff. 5.1 AVB). Obwohl kein Versicherungsschutz für Tätigkeiten über ausländische Niederlassungen besteht, kann es zu einer Inanspruchnahme vor außereuropäischen Gerichten etwa dann kommen, wenn der Rechtsanwalt zu einem ausländischen Mandanten reist, und die Beratung vor Ort, z.B. in den USA, vornimmt.
Um das kaum kalkulierbare Kostenrisiko von Prozessen vor außereuropäischen Gerichten beherrschbar zu machen, sehen die Versicherungsbedingungen vor, dass Kosten nicht nach der ausländischen Rechtsordnung, sondern nur nach Maßgabe des RVG ersetzt werden (§ 3 III. Ziff. 5.5 AVB). Die das Ausland betreffenden Regelungen der Versicherungsbedingungen sind aber abdingbar.
Die Versicherer sind in der Regel bereit, den Versicherungsschutz entsprechend den tatsächlichen Erfordernissen der Kanzlei zu gestalten (ggf. mit bestimmten Einschränkungen und Sublimitierungen der Deckungssumme).
Zu beachten gilt es für den Anwalt, der zugleich zum Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer bestellt ist, dass er in seiner Eigenschaft als Steuerberater keinen Deckungsschutz beanspruchen kann, wenn er die Anwendbarkeit außereuropäischen Recht nicht beachtet, d.h. wenn er nicht erkennt, dass außereuropäisches Recht im konkreten Mandat anzuwenden ist.
Beachte
Der Anwalt sollte konsequent dem Prinzip des maximal notwendigen Versicherungsschutzes folgen – in Bezug auf die Deckungssummen und den Bedingungsumfang – und dabei auch immer die Wirksamkeit seiner Haftungsbegrenzungsvereinbarungen gem. § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO im Blick behalten. Denn jede Beschränkung des Versicherungsschutzes kann zur Unwirksamkeit der mit dem Mandanten vereinbarten, vorformulierten Haftungsbegrenzung führen.
Die Auslandsdeckung der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist partiell weitergehend, aber auch eingeschränkt, weshalb in interprofessionellen Kooperationen/Sozietäten/Partnerschaften eine "Harmonisierung" des entsprechenden Deckungsumfangs erforderlich ist.