Rz. 20

Der Anwaltsvertrag kommt zustande, wenn Anwalt und Mandant sich darüber einig sind, dass eine anwaltstypische Dienstleistung in Form des rechtlichen Beistands entsprechend § 3 Abs. 3 BRAO erbracht werden soll. Sofern es sich bei dem übernommenen Mandat um eine überwiegend nicht anwaltstypische Tätigkeit,[67] oder eine solche Tätigkeit handelt, bei der die Rechtsberatung deutlich in den Hintergrund tritt, kann nicht von einem Anwaltsvertrag ausgegangen werden.[68] Gesetzlich definiert ist die anwaltliche Tätigkeit nicht. Entscheidend ist stets, ob der Anwalt im konkreten Fall noch in irgendeiner Weise Rechtsrat schuldet, mag dieser Teil seiner Aufgabe auch ein wenig in den Hintergrund treten. Sobald es aber primär auf andere Fachkenntnisse ankommt und diese statt der Beherrschung des Rechts den Grund für den Auftrag darstellen, dürfte es sich um eine berufsfremde Tätigkeit handeln.

Eine klare Grenzziehung ist ob dieser "weichen" Kriterien gelegentlich nicht möglich bzw. zumindest schwierig. Im Wege der Auslegung ist zu ermitteln, worauf die Parteien bei der Beauftragung Wert gelegt haben; nicht zu vernachlässigen ist dabei die Frage, warum der Mandant überhaupt einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner – in der Gesamtschau ggf. auch weniger bedeutsamen, rechtlichen Interessen – beauftragt hat.

 

Beispiel

Wird einem Fachanwalt für Versicherungsrecht der Auftrag erteilt, seinem Mandanten bei der Beschaffung risikogerechten Versicherungsschutzes behilflich zu sein, kann es sich sowohl um ein "Maklermandat", aber auch um ein anwaltliches Mandat handeln. Für die letztgenannte Einordnung spricht, dass bei einem derartigen Auftrag der rechtlichen Beurteilung der Versicherungsbedingungen und der hierüber mit dem Versicherer evtl. zu führenden Verhandlungen erhebliches Gewicht beigemessen wird.[69]

Unbestritten anwaltstypische Tätigkeit und damit auch Anwaltsmandat ist die Tätigkeit des ­Anwalts als Mediator, Vermittler oder Schlichter, was sich bereits aus § 18 BerufsO ergibt.

Die Abgrenzung ist von Bedeutung für die Abrechnung auf Basis der gesetzlichen Gebühren, für

die Haftung des beauftragten Anwalts, sowohl im Bereich

der Haftungsgrundlagen und -maßstäbe,
der Haftungsbegrenzung (§ 52 BRAO),
der evtl. gesamtschuldnerischen Mithaftung von Sozien/Scheinsozien (die für entsprechende nicht anwaltstypische Tätigkeiten nicht mithaften müssen (s. unten Rdn 87 f.),
der Verjährung von Haftpflichtansprüchen (soweit diese wegen der zwischenzeitlich in der Regel überholten "Übergangsfrist" noch dem aufgehobenen § 51b BRAO unterliegen).
wie auch für den zur Verfügung stehenden Deckungsschutz aus der anwaltlichen Berufs-Haftpflichtversicherung.
 

Rz. 21

Die Tendenz der Rechtsprechung, einen Sachverhalt als anwaltliche Tätigkeit zu subsumieren, um den Geschädigten in den Genuss der Pflichtversicherung des Anwalts zu bringen, lässt sich nicht immer übersehen.[70]

[67] BGH, Urt. v. 16.4.2008, AnwBl 2008, 635; BGHZ 57, 53; LG Mainz, 23.3.2012 – 9 O 113/11; BeckRS 2014, 05956; OLG Celle, BRAK-Mitt. 2006, 217.
[68] Borgmann/Jungk/Grams, S. 23 ff.; BGH, Urt. v. 16.4.2008, AnwBl 2008, 635; LG Mainz, 23.3.2012 – 9 O 113/11; BeckRS 2014, 05956.
[69] Siehe auch BGH AnwBl 1987, 141 f.; BGH; NJW 2008, 517 zur Immobilienvermittlung, OLG Hamm, Urt. v. 12.4.2011 – 28 U 159/10, BeckRS 2011, 14911.
[70] OLG Brandenburg, Urt. v. 10.5.2005 – 6 W 80/05, AnwBl 2005, 720; Sparwasser, AnwBl 2005, 657; weitere Nachweise zur Abgrenzung und Beispielsfälle finden sich bei Borgmann/Jungk/Grams, Kapitel II Rn 1 ff.

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