Anwaltsregress: Rechtsanwalt lässt familienrechtliche Forderung verjähren
Verletzt ein Rechtsanwalt seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag, dann ist er dem Mandanten zum Schadenersatz verpflichtet. Im Rahmen des übernommenen Mandats ist der Anwalt zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung seines Auftraggebers verpflichtet.
Rechtsanwalt muss Mandanteninteressen umfassend wahrnehmen
Der Mandant soll durch die anwaltliche Rechtsberatung in die Lage versetzt werden, eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung zu treffen. Der Anwalt ist daher grundsätzlich verpflichtet, die Interessen seines Mandanten in jede Richtung umfassend wahrzunehmen.
Selbst wenn ihm nur ein beschränktes Mandat erteilt worden ist, trifft ihn die Nebenpflicht, den Mandanten auch vor Gefahren außerhalb des konkreten Mandates zu warnen, soweit diese dem Anwalt bekannt oder für ihn offenkundig sind bzw. bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen müssen.
Familienrechtliches Mandat zur Abwehr eines Auskunftsbegehrens
Den umfassenden Pflichten zur Rechtsberatung war eine Anwältin nicht gerecht geworden, die in einer familienrechtlichen Zugewinnausgleichssache beauftragt worden war. Anlass der Beauftragung war eine Aufforderung der Ehefrau an ihren Exmann, zwecks Geltendmachung von Zugewinnausgleich Auskunft über sein Vermögen zu erteilen. In erster Linie ging es dem Mandanten um die Abwehr dieses Auskunftsbegehrens. Er bekundete gegenüber der Anwältin aber auch, dass er gerne seinen Erbteil hätte – also eine Zuwendung, die er während der Ehe von seinen Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten hatte und die rechnerisch im Anfangsvermögen zu berücksichtigen war.
Rechtsanwältin ließ eigenen Zugewinnausgleichsanspruch des Mandanten auf sich beruhen
Die Anwältin beantwortete das Auskunftsersuchen der Gegenseite und nahm konkret zu den in Streit stehenden güterrechtlichen Positionen Stellung. Sie hat den Mandanten jedoch nicht darauf hingewiesen, dass er offensichtlich einen eigenen Zugewinnausgleichsanspruch hat. Aus diesem Grund hat der Mandant in unverjährter Zeit keine Forderungen gegenüber seiner Exfrau erhoben. Nachdem Verjährung eingetreten war, nahm er seine Anwältin im Wege des Regresses auf Schadenersatz in Anspruch.
Hinweispflicht auf Zugewinnansprüche zumindest als Nebenpflicht aus dem Anwaltsvertrag
Das mit der Sache befasste OLG bejahte eine Pflichtverletzung der Anwältin. Es war nicht davon überzeugt, dass der Anwältin lediglich ein beschränktes Mandat dahingehend erteilt worden war, den Auskunftsanspruch abzuwehren. Immerhin hatte die Anwältin konkret zu den einzelne Vermögenspositionen Stellung genommen und ihre Gebühren auf der Grundlage eines höheren Gegenstandswertes abgerechnet.
Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass es dem Mandanten nur um das Auskunftsersuchen gegangen sei, dann hätte sich der Anwältin auf den ersten Blick aufdrängen müssen, dass dem eigenen Mandanten ein Zugewinnausgleichsanspruch zustand. Darauf hätte sie ihn aufgrund der bestehenden Nebenpflichten aus dem Anwaltsvertrag hinweisen müssen, zumal dieser ja deutlich gemacht hatte, dass es ihm auch um seinen Erbteil gehe. Da die Anwältin den erforderlichen Hinweis nicht erteilt hatte und den Anspruch des Mandanten verjähren ließ, verurteilte das OLG sie zum Schadenersatz.
Schaden war mit Verjährung entstanden
Der Regressanspruch gegenüber der Anwältin ist bereits im dem Zeitpunkt entstanden, in welchem die Verjährungsfrist abgelaufen war. Es kommt nicht darauf an, ob der Gegner - also die Exfrau – tatsächlich die Einrede der Verjährung erhebt.
(OLG Zweibrücken, Urteil v. 18.06.2021, 2 U 52/20).
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Hinweis: Beratung und Belehrung des Mandanten
Bestimmend für den Inhalt und den Umfang der Pflichten des Anwaltes ist grundsätzlich das zwischen den Parteien des Anwaltsvertrages Vereinbarte. Differenzierter Betrachtung unterliegen dabei das uneingeschränkte, umfassende Mandat und das eingeschränkte Mandat. Letzteres verpflichtet den Anwalt, sich mit der ihm übertragenen Rechtssache nur in einem konkret umrissenen, engen Rahmen anzunehmen. Dies kann sich beziehen auf einen Teilbereich des Streitgegenstandes, auf die Reichweite oder die Richtung. Hervorzuheben ist, dass das eingeschränkte Mandat den Ausnahmefall darstellt. Besteht also zwischen Anwalt und Mandant Streit über den Umfang des betreffenden Mandats, ist grundsätzlich von einem umfassenden Auftrag auszugehen, es sei denn, der Anwalt legt die Vereinbarung des eingeschränkten Umfangs dar und kann diesen beweisen (OLG Celle, Urteil v. 24.03.2010, 3 U 222/09).
Hinweis: Die schriftliche Fixierung des Mandatsumfangs schafft Klarheit, Transparenz und Sicherheit bezüglich der beiderseits bestehenden Rechte und Pflichten. Ob die zu erbringende anwaltliche Dienstleistung – idealtypisch – förmlich in einem schriftlichen Vertrag niedergelegt wird, oder über die schriftliche Bestätigung als Schreiben an den Mandanten, ist grundsätzlich irrelevant.
"Klassische" Anspruchsgrundlage für die Haftung des Rechtsanwalts gegenüber seinen Mandanten/Auftraggebern ist § 280 BGB, der an die Stelle der von der Rechtsprechung entwickelten sog. positiven Vertragsverletzung getreten ist. Grundvoraussetzung für die Haftung aus § 280 BGB ist ein (Anwalts-)Vertrag,der wiederum den Inhalt sowie Umfang der beiderseitigen Rechte und Pflichten im Mandat (BGH, Urteil v. 9.12.1981, IVa ZR 42/81) definiert.
Für den Anwalt ergeben sich danach die von der Rechtsprechung entwickelten vier sog. Kernpflichten:
- Aufklärung des Sachverhalts (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14.12.2010, I-24 U 126/10),
- Rechtsprüfung (BGH, Urteil v. 22.09.2005, IX ZR 23/04),
- Rechtsberatung (BGH, Urteil v. 01.03.2007, IX ZR 261/03),
- Schadensverhütung (OLG Naumburg, Urteil v. 14.12.2004, 1 U 47/04).
Dabei handelt es sich um nichts weiter als die selbstverständlichen, zentralen Mindestanforderungen für qualifizierte anwaltliche Tätigkeit (Gekürzter Auszug aus: Deutsches Anwalt Office Premium).
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