Anwaltshaftung und Aufklärung über kostensparende Berufungsrücknahme
Es lief nicht gut für die Kläger, weder in der ersten bereits verlorenen noch in der zweiten Instanz.
Keine Chance, die Berufung noch zu gewinnen
Im Berufungsverfahren erteilten die Richter den Hinweis, dass sie vorhaben die Berufung zurückzuweisen. Sie regten an, die Berufung zurückzunehmen, um Kosten zu sparen. Die Berufungskläger folgten diesem Vorschlag nicht und verloren erwartungsgemäß. Die Berufungsführer waren rechtsschutzversichert und hatten für das Verfahren inklusive der Berufung die Deckung zugesagt bekommen.
Rechtsschutzversicherer gibt Anwalt die Schuld an hohen Gerichtsgebühren
Als die Rechtsschutzversicherung vom Verfahrensgang erfuhr, verklagte sie den Anwalt aus übergegangenem Recht (§ 86 Abs. 1 VVG), und zwar auf Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen den entstanden (4,0-Gebühr) und den Gerichtskosten bei Rücknahme (2,0-Gebühr).
Anwalt wegen unzureichender Beratung in Haftung genommen
Die Rechtsschutzversicherung warf dem Anwalt vor, seine Mandantschaft nicht hinreichend über die Kostenersparnis bei einer Rücknahme der Berufung beraten zu haben. Sie unterstellt wohl, dass ihre Versicherungsnehmer dann nicht auf einer Entscheidung durch das Gericht beharrt hätten.
Beratungspflicht des Rechtsanwalts bei Aussichtslosigkeit
Das angerufene Gericht überprüfte ein möglicher Versäumnis. Es fasste die Beratungspflichten des Anwalts zusammen. Danach ist der Mandant verständlich zu belehren über:
- den Inhalt des gerichtlichen Hinweises inkl. der rechtlichen Erwägungen und Bewertungen und
- die möglichen Rechtsmittel oder sonstigen prozessualen Alternativen, ihre jeweiligen Risiken und wirtschaftlichen Folgen.
- Droht der Rechtsstreit am Ende des Rechtswegs verloren zu gehen, muss er die günstigste Beendigung aufzeigen.
Hinweise zu Auswirkungen auf das Rechtsschutzversicherungsverhältnis
Ist eine Rechtsschutzversicherung involviert, muss zudem auf etwaige erkennbare Auswirkungen im Versicherungsverhältnis hingewiesen werden, z.B. bei bedingten Deckungszusagen. Diese Aufklärungspflicht besteht allerdings nur im Verhältnis Anwalt-Mandant, ohne Drittschutzwirkung für den Rechtsschutzversicherer, so das AG Frankfurt.
Mandant wusste um das - für ihn finanziell nicht belastende - Risiko zu unterliegen
Um herauszufinden, ob der Anwalt tatsächlich gegen seine Aufklärungspflichten verstoßen hatte, lud das AG Frankfurt die Berufungskläger vor. Die Beweisaufnahme ergab nur, dass sich die Mandanten für die – erwartungsgemäß abschlägige – Gerichtsentscheidung entschieden hatten, weil sie selbst nicht dafür zahlen müssten, sondern die Rechtsschutzversicherung.
Beweisaufnahme geht zu Lasten der Rechtsschutzversicherung
Die Richter des AG Frankfurt konnten sich gut vorstellen, dass – Beratung des Anwalts hin oder her – die Berufung nicht zurückgenommen worden wäre, frei nach dem Motto, dass sich fremdes Geld leicht ausgeben lässt. die beweisbelastete Rechtsschutzversicherung konnte jedenfalls den Anwaltsfehler nicht zur Überzeugung des Gerichts darstellen und verlor.
(AG Frankfurt a.M., Urteil v. 22.7.2021, 32 C 807/21).
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