Anwalt kündigt Mandat mangels Erfolgsaussicht: Honoraranspruch?

Kommt ein Anwalt nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis, dass für den Mandanten die Gewinnchancen bei Einlegung eines Rechtsmittels gegen Null tendieren, darf er den Anwaltsvertrag kündigen, wenn der Mandant gleichwohl in sein Unglück rennen will. Das Honorar aus dem Anwaltsvertrag ist trotzdem zu leisten, entschied der BGH.

Im fraglichen Fall hatte ein Mandant einen BGH-Anwalt mit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde beauftragt.

Nichtzulassungsbeschwerde ohne Aussicht auf Erfolg

  • Die Rechtsschutzversicherung hatte dem Anwalt für die Angelegenheit rund 1.800 Euro Honorar überwiesen.
  • Der Anwalt kam in einem 36-seitigen Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Weil der Mandant sich uneinsichtig zeigte, kündigte der Rechtsanwalt den Anwaltsvertrag. Weil der Mandant einen neuen Anwalt beauftragen musste, um die Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben, verlangte die Rechtsschutzversicherung das gezahlte Honorar von dem Erstanwalt zurück.

Unauflöslicher Konflikt des Anwalts

 Die Rückforderung blieb Erfolg. Der Bundesgerichtshof gab dem Anwalt recht.

  • Der Rechtsanwalt sei wegen vertragswidrigen Verhaltens des Mandanten zur Kündigung berechtigt,
  • wenn dieser sich nach einer rechtlich zutreffenden Begutachtung des Sachverhalts
  • der daraus folgenden Empfehlung verschließt,
  • von der Durchführung eines Rechtsmittels abzusehen.

Sei der Anwalt nach gründlicher Prüfung der Sach- und Rechtslage von der Aussichtslosigkeit eines Rechtsmittels überzeugt, bringe ihn das Beharren des Mandanten auf Durchführung des Verfahrens in einen unauflöslichen Konflikt.

Befolgen unsinniger Weisung mit Stellung als Organ der Rechtspflege unvereinbar

Die Befolgung der Weisung des Mandanten sei für den Rechtsanwalt mit seiner Stellung als Organ der Rechtspflege unvereinbar.

Der Anwalt muss nach dem Richterspruch nicht einer Weisung des Mandanten folgen, die seinem wohl durchdachten Rat widerspricht und mit wirtschaftlichen Nachteilen für die vertretene Partei verbunden ist.

  • Um die verfehlte Weisung des Mandanten, einen aussichtslosen Rechtsstreit fortzusetzen, zu erfüllen,
  • müsste der Rechtsanwalt nämlich eine Klage oder ein Rechtsmittel mit Erwägungen begründen,
  • die verfahrensrechtlich unerheblich sind
  • oder materiell-rechtlich erkennbar nicht durchgreifen.

Dies wäre weder mit seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege vereinbar noch ihm mit Rücksicht auf sein Ansehen zumutbar, meinen die Karlsruher Richter. Schließlich sei das unvernünftige Hinwegsetzen über den begründeten Vorschlag des Anwalts geeignet, die Vertrauensgrundlage des Mandatsverhältnisses nachhaltig zu erschüttern.

Anwalt musste nicht auf Mandantenkündigung warten

Von dem Anwalt hätte auch nicht verlangt werden, sich auf die Nichtbefolgung der sachwidrigen Weisung des Mandanten zu beschränken und ihn dazu anzuhalten, zur Durchsetzung seines prozessualen Willens seinerseits das Mandat zu kündigen.

  • Innerhalb der laufenden Rechtsmittelbegründungsfrist entsprach die Kündigung nach den Ausführungen des BGH vielmehr der Interessenlage des Mandanten,
  • möglichst frühzeitig frei darüber zu entscheiden, entgegen dem Expertenrat einen anderen Anwalt mit der fristgemäßen Durchführung des Rechtsmittels zu betrauen.

Der Bundesgerichtshof hat den Fall noch nicht abschließend entschieden, sondern an die Vorinstanz zurückverwiesen. Dort soll noch einmal geprüft werden, ob die Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde tatsächlich bei null lagen.

(BGH, Urteil vom 16.2.2017, IX ZR 165/16).


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Hintergrund: Kündigung des Anwaltsvertrags

Hat der Rechtsanwalt die Kündigung eines geschlossenen Anwaltsvertrages durch vertragswidriges Verhalten veranlasst und muss der Auftraggeber des Rechtsanwalts einen anderen Rechtsanwalt bestellen, führt dies zum Untergang des Vergütungsanspruchs des erstbeauftragten Anwaltes (OLG Rostock, Beschluss v. 12.08.2008, 1 U 157/08).

Kündigt ein Rechtsanwalt den Anwaltsvertrag und sind damit seine bisherigen Leistungen für den Mandanten nicht mehr von Interesse, hat er keinen Anspruch auf Zahlung der Vergütung( OLG Düsseldorf v. 21.7.1978, 8 U 115/76 ). Dieser Grundsatz gilt aber beispielsweise dann nicht, wenn ein Rechtsanwalt die Berufungsbegründung mit Aussichtslosigkeit ablehnt, weil dies an sich keine Kündigung des Mandats darstellt – der Mandant muss dann, wenn er einen zweiten Rechtsanwalt hinzuzieht, beide Rechtsanwälte bezahlen (BGH Urteil v. 26.09.2013,  IX ZR 51/13).


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