Rz. 20
Zitat
StVO § 14 Abs. 1; StVG § 17
Die Sorgfaltsanforderung des § 14 Abs. 1 StVO erfasst auch Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen.
Kommt es dabei zur Berührung der geöffneten Fahrzeugtür mit einem in zu geringem Abstand vorbeifahrenden Lkw, kann eine hälftige Schadensteilung gerechtfertigt sein.
a) Der Fall
Rz. 21
Im Oktober 2006 wurde die geöffnete hintere linke Tür des parkenden Pkw des Klägers durch einen vorbeifahrenden, vom Beklagten zu 2 gesteuerten und bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Lkw beschädigt. Der Kläger verlangte von den Beklagten Ersatz des dadurch entstandenen Schadens.
Rz. 22
Zum Unfallzeitpunkt parkte der Kläger sein Fahrzeug in einer Parkbucht. Diese war zwei Meter, die Fahrbahn ist weitere sieben Meter breit. An dem Fahrzeug des Klägers war die. hintere linke Tür zum Teil geöffnet. Der Kläger stand in der geöffneten Tür, um sein auf dem linken hinteren Rücksitz sitzendes Kind abzuschnallen. Der Beklagte zu 2 fuhr mit seinem Lkw mit Anhänger an dem Pkw in einem Abstand von ca. 0,95 Meter vorbei. Dabei wurde die Tür des Pkw aus unbekanntem Grund, sei es durch den Kläger oder durch. den Luftzug des vorbeifahrenden Lkw, weiter geöffnet. Der. Lkw stieß deshalb mit dem Anhänger dagegen. Zum Zeitpunkt der Kollision hatte die Tür die maximale Öffnungsweite von einem Meter erreicht.
Rz. 23
Das Amtsgericht hat der Klage auf der Grundlage einer Quote von 40 : 60 zulasten der Beklagten stattgegeben. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg, auf die Anschlussberufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten lediglich auf der Grundlage einer Quote von 50 : 50 gebilligt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Klageantrag in vollem Umfang weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 24
Das Berufungsgericht führte aus: Für den Beklagten zu 2 sei bei der Annäherung an das Fahrzeug des Klägers erkennbar gewesen, dass die hintere linke Tür zum Teil geöffnet war und dass eine Person in der Tür stand. Der Beklagte zu 2 habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die erkennbar schon geöffnete Tür sich nicht weiter öffnen werde. Es könne nicht mehr geklärt werden, ob der Kläger beim Abschnallen seines Kindes gegen die Tür gestoßen sei und diese weiter geöffnet habe oder aber ob die Tür sich durch den Luftzug des vorbeifahrenden Lkw weiter geöffnet habe. Mit beiden Möglichkeiten habe der Beklagte zu 2 rechnen müssen. Er habe gewusst, dass er einen sehr großen Lkw fahre, der einen erheblichen Luftzug verursache, der ausreichen’ könne, eine Kraftfahrzeugtür weiter zu öffnen, wenn diese nicht ordnungsgemäß festgehalten werde. Er habe auch die Möglichkeit einkalkulieren müssen, dass der Kläger die Tür nicht ordnungsgemäß festhalte oder dass er an die Tür stoße und diese weiter öffne und dass durch eine solche Bewegung die Tür ihren maximalen Öffnungswinkel erreiche. Vor diesem Hintergrund sei der gewählte Sicherheitsabstand zu gering gewesen. Der Beklagte zu 2 habe notfalls auf die Gegenfahrbahn ausweichen oder, wenn dies infolge Gegenverkehrs nicht möglich gewesen sei, sein Fahrzeug anhalten müssen. Der Beklagte zu 2 habe bei gehöriger Beobachtung der Situation auch erkennen können, dass der Kläger ihm den Rücken zuwandte, und habe deshalb nicht darauf vertrauen dürfen, dass er die Annäherung des Lkw bemerken und sich darauf einstellen würde.
Rz. 25
Auf der anderen Seite habe der Kläger durch das Öffnen der linken Tür, die, während er sich hineingebeugt habe, zumindest den Rand des rechten Fahrstreifens tangiert oder möglicherweise in diesen hineingeragt habe, eine Gefahrenquelle geschaffen. Er habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass vorbeifahrende Fahrzeuge einen auch bei einer sich weiter öffnenden Tür ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten würden. Er sei, auch wenn er im Fahrzeug hantierte, verpflichtet gewesen den sich von hinten nähernden Verkehr zu beobachten. Hier habe er den sich nähernden Lkw alleine aufgrund der Geräuschentwicklung eines solch großen Fahrzeugs leicht wahrnehmen können und sich darauf einstellen müssen. Er habe dann, obwohl er dabei gewesen sei, das Kind abzuschnallen, die Tür gegen ein weiteres Öffnen durch Festhalten sichern müssen.
Bei dieser Sachlage sei eine Haftungsverteilung von 50 : 50 angemessen.
Rz. 26
Die dagegen gerichtete Revision hatte im Ergebnis keinen Erfolg.
Die hälftige Quotierung des Schadens durch das Berufungsgericht ließ entgegen der Ansicht der Revision keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und ...