Rz. 121
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stand dem Kläger über den von der Beklagten zu 2 regulierten Teilbetrag hinaus weder aus § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1, 2 StVG noch aus § 823 Abs. 1 BGB, § 115 VVG ein weiterer Schadensersatzanspruch zu. Das Amtsgericht sei zu Recht von einer Haftungsquote der am Unfall beteiligten Fahrzeuge von jeweils 50 % ausgegangen. Gemäß der in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung streite der aus § 9 Abs. 5 StVO hergeleitete Anscheinsbeweis grundsätzlich auch dann für ein Verschulden des Zurücksetzenden, wenn dieser zum Kollisionszeitpunkt bereits zum Stehen gekommen sei, gleichwohl aber – wie hier – ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang mit dem Zurücksetzen vorliege. Danach komme es nicht darauf an, ob das Fahrzeug des Klägers im rechten Winkel zu seiner Parkbucht gestanden habe und das Beklagtenfahrzeug auf sein stehendes Fahrzeug aufgefahren sei.
Rz. 122
Nicht zu beanstanden sei die vom Amtsgericht gemäß § 287 ZPO vorgenommene Schätzung des Wiederbeschaffungswerts des klägerischen Fahrzeugs abzüglich des Restwerts auf 730 EUR. Zu Recht habe das Amtsgericht die Kosten des Ergänzungsgutachtens des vom Kläger beauftragten Sachverständigen nicht als erstattungsfähig angesehen. Die alleinige Begutachtung des klägerischen Fahrzeugs sei wenig aussagekräftig gewesen und es komme auf die Frage, ob das klägerische Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt gestanden habe, nicht an.
Rz. 123
Das angefochtene Urteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stritt nach den bisherigen Feststellungen ein Anscheinsbeweis nicht für ein (Mit-)Verschulden des Klägers. Nicht frei von Rechtsfehlern waren auch die Ausführungen zur Schätzung des Wiederbeschaffungsaufwands des klägerischen Fahrzeugs.
Rz. 124
Die Revision war unbeschränkt zulässig. Die Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthielt keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Eine Beschränkung der Revisionszulassung ergibt sich auch nicht aus der vom Berufungsgericht genannten Begründung der Zulassung, eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Haftungsverteilung bei Unfällen zwischen rückwärts ausparkenden Pkw zu ermöglichen. Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist nur im Hinblick auf einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen Teil des Streitgegenstands zulässig, nicht aber auf einzelne Rechtsfragen. Hier ergab sich eine Beschränkung auf den Haftungsgrund nicht eindeutig aus der Benennung des Zulassungsgrundes, zumal die angesprochene Rechtsfrage nach der Begründung des Berufungsurteils auch für den Ersatz der im Revisionsrechtszug von den Beklagten anerkannten Kosten des Ergänzungsgutachtens erheblich sein konnte.
Rz. 125
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden war der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach sowohl der Kläger als auch die Beklagten grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 VVG einzustehen hatten, weil die Unfallschäden beim Betrieb von Kraftfahrzeugen entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen war und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte.
Rz. 126
Im Rahmen der hiernach gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und Verschuldensanteile hatte das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Klägers spreche, obwohl nicht auszuschließen war, dass das Fahrzeug des Klägers im Zeitpunkt der Kollision bereits stand.
Rz. 127
Die Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) sind auf dem – hier vorliegenden – öffentlich zugänglichen Parkplatz grundsätzlich anwendbar. Teilweise wird hieraus gefolgert, § 9 Abs. 5 StVO, wonach sich der Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, und er sich erforderlichenfalls einweisen lassen muss, sei auch auf Parkplätzen unmittelbar anwendbar. Die wohl überwiegende Auffassung stellt indes darauf ab, dass die Vorschrift primär dem Schutz des fließenden und deshalb typischerweise schnelleren Verkehrs dient und mithin bei einem Parkplatzunfall nicht unmittelbar anwendbar ist. Auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter sei anstelle des § 9 Abs. 5 StVO das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme (§ 1 Abs. 2 StVO) zu beachten. Danach muss sich ein Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Nach dieser Auffassung soll die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO bei Unfällen auf Parkplätzen allerdings mittelbar anwendbar oder deren Wertung im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen sein. Da auf Parkplätzen stets mit ausparkenden und rückwärtsfahrenden Fahrzeugen zu rechnen sei, müssten Kraftfahrer hier so vorsichtig fahren, das...