Rz. 245
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht war ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 3 – auch unter Berücksichtigung der eingeschalteten Warnblinkanlage an dem Lkw – nicht verpflichtet war, die festgestellte Geschwindigkeit seines Fahrzeugs von 74 bis 78 km/h weiter bis auf 45 km/h zu ermäßigen, sich bremsbereit zu halten oder auf die sich halb öffnende Fahrertür mit einer Vollbremsung zu reagieren.
Rz. 246
Unter den Umständen des Streitfalles war das Einschalten des Warnblinklichts objektiv nicht erforderlich, um den Verkehr auf den stehenden Lkw aufmerksam zu machen.
Rz. 247
Nach § 16 Abs. 2 S. 2 StVO darf außer beim Liegenbleiben mehrspuriger Fahrzeuge an unübersichtlichen Stellen (§ 15 StVO) und beim Abschleppen von Fahrzeugen (§ 15a StVO) Warnblinklicht nur einschalten, wer andere durch sein Fahrzeug gefährdet sieht oder andere vor Gefahren warnen will, z.B. bei Annäherung an einen Stau oder bei besonders langsamer Fahrgeschwindigkeit auf Autobahnen und anderen schnell befahrenen Straßen. Das Einschalten des Warnblinklichts ist dagegen grundsätzlich unzulässig, wenn keine konkrete Gefährdung, sondern allenfalls eine Behinderung des Verkehrs vorliegt.
Rz. 248
Ob im Streitfall diese Voraussetzungen im Hinblick auf den nach den getroffenen Feststellungen auf einer übersichtlichen Landstraße am Fahrbahnrand stehenden, für den herannahenden Verkehr gut erkennbaren Lkw vorlagen, konnte jedoch ebenso dahinstehen wie die Frage, ob auch von einem unzulässigerweise eingeschalteten Warnblinklicht eine Reaktionsaufforderung für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen kann, die Geschwindigkeit zu verlangsamen und sich bremsbereit zu halten.
Rz. 249
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger durch das Einschalten der Warnblinkanlage den Verkehr nur auf den am Fahrbahnrand stehenden Lkw aufmerksam machen wollen. Eine von dem am Fahrbahnrand stehenden, gut erkennbaren Lkw ausgehende Gefahr hatte sich jedoch im Streitfall nicht realisiert. Für den Beklagten zu 3 stellte der Lkw noch nicht einmal ein Hindernis dar, weil dieser aus seiner Sicht auf der Gegenfahrbahn stand. Realisiert hatte sich vielmehr die Gefahr, die davon ausgegangen ist, dass der Kläger unter Missachtung des entgegenkommenden Verkehrs ausgestiegen und auf die Fahrbahn gesprungen war. Die Revision machte selbst nicht geltend, dass der Kläger mit dem Einschalten der Warnblinkanlage den herannahenden Gegenverkehr vor seinem beabsichtigten Aussteigen warnen wollte, zumal der Kläger ohnehin erst aussteigen durfte, wenn er sicher sein konnte, dass er sich und andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdete (vgl. § 14 Abs. 1 StVO). Dabei hatte er grundsätzlich auch auf Fahrzeuge zu achten, die aus der Gegenrichtung kamen.
Rz. 250
Der Beklagte zu 3 war auch aus sonstigen Gründen nicht gehalten, die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs unter die festgestellten 74 bis 78 km/h weiter herabzusetzen, sich bremsbereit zu halten oder bereits auf die nur zur Hälfte geöffnete Lkw-Tür mit einer Vollbremsung zu reagieren.
Rz. 251
Der fließende Verkehr darf zwar nicht generell darauf vertrauen, dass die gesteigerte Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO allgemein beachtet wird; er muss daher, wenn für ihn nicht mit Sicherheit erkennbar ist, dass sich im haltenden Fahrzeug und um das Fahrzeug herum keine Personen aufhalten, einen solchen Abstand einhalten, dass ein Insasse die linke Tür ein wenig öffnen kann. Der an einem parkenden Wagen vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer darf jedoch darauf vertrauen, dass die Tür nicht plötzlich weit geöffnet wird und ein Insasse auf die Fahrbahn springt. Deshalb war die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 3 habe unter den gegebenen Umständen davon ausgehen dürfen, dass der Fahrer des Lkw die Tür erst nach seiner – des Beklagten zu 3 – Durchfahrt vollständig öffnen und aussteigen würde, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Rz. 252
Schließlich war auch kein Rechtsfehler erkennbar, soweit das Berufungsgericht im Rahmen der Abwägung die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 3 geführten Kleintransporters vollständig hinter dem Mitverschulden des Klägers hatte zurücktreten lassen.
Rz. 253
Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind.
Rz. 254
Diesen Grundsätzen wurde die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung gerecht. Dabei war es im Hinblick auf die gesteigerten Sorgfaltsanforderungen des § 14 Abs. 1 StVO rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht einen groben Sorgfaltsverstoß des Klägers angenommen und es als völlig unverständlich bezeichnet hatte, dass dieser bei den bestehenden guten Sichtverhältnissen...