Dr. iur. Sebastian Berkefeld
Rz. 226
Setzt der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten zwar als Erben ein, beschränkt oder beschwert ihn jedoch mit Anordnungen i.S.d. § 2306 Abs. 1, 2 BGB (Beschränkung durch Einsetzung eines Nacherben, Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder Teilungsanordnung, Beschwerung mit Vermächtnis oder Auflage, Einsetzung als Nacherbe), so muss nach altem und nach neuem Erbrecht unterschieden werden.
a) Rechtslage seit dem 1.1.2010
Rz. 227
Für die ab dem 1.1.2010 eingetretenen Erbfälle gilt § 2306 Abs. 1 BGB in der derzeitigen Fassung (Art. 229 § 23 Abs. 4 EGBGB). Danach hat der mit einem beschwerten oder belastenden Erbteil bedachte Pflichtteilsberechtigte ein Wahlrecht: Nimmt er die hinterlassene Erbschaft an, so bleiben die belastenden und beschwerenden Anordnungen bestehen. Schlägt er die Zuwendung aus, so kann er den vollen und ungekürzten Pflichtteil. Anders als nach dem früheren Recht kommt es nicht auf die Höhe des hinterlassenen Erbteils an.
b) Alte Rechtslage
Rz. 228
Demgegenüber kam es für die Handlungsmöglichkeiten des Pflichtteilsberechtigten für die bis zum 31.12.2009 eingetretenen Erbfälle darauf an, welchen Umfang der zugedachte Erbteil hatte:
Rz. 229
Sofern der zugewandte Erbteil nicht die Hälfte des gesetzlichen Erbteils überstieg, galten diese Beschränkungen und Beschwerungen als nicht angeordnet. Sie entfielen kraft Gesetzes automatisch. Eine Ausschlagung führte dazu, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht nur den zugewandten (durch § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB lastenfrei gewordenen) Erbteil verlor, sondern auch die Pflichtteilsberechtigung (mit Ausnahme eines evt. Pflichtteilsrechtanspruchs), da er ja nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen wurde (Ausnahme: Zugewinngemeinschaft).
Rz. 230
Überstieg dagegen der zugewandte Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, konnte der beschwerte Pflichtteilsberechtigte nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB a.F wählen, ob er die hinterlassene Erbschaft einschließlich der belastenden und beschwerenden Anordnungen annimmt oder ob er die Zuwendung ausschlägt und sodann den vollen und ungekürzten Pflichtteil geltend macht.
Rz. 231
Problematisch – und für den Rechtsberater haftungsträchtig – war die exakte Festlegung der Grenzziehung zwischen den beiden Falllagen des § 2306 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB a.F., da die Berechnungsmethode umstritten war. Diskutiert wurden insoweit die sog. Quoten- oder die Werttheorie oder Zwischenformen. Problematisch war ferner, dass die Entscheidung innerhalb der allgemeinen Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB erfolgen musste.