Dr. iur. Sebastian Berkefeld
Rz. 158
Aufgrund der Privatautonomie steht es den Beteiligten grundsätzlich frei, den Wert der von ihnen nach ihrem Vertrag zu erbringenden Leistungen zu bewerten und damit auch das Verhältnis der Entgeltlichkeit zu bestimmen (Prinzip der subjektiven Äquivalenz; siehe auch § 7 Rdn 30 ff.). Dadurch entsteht ein gewisser Bewertungsspielraum, auch zur Reduzierung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Die Grenzen desselben sind allerdings noch nicht abschließend festgelegt. Anerkannt ist dabei zwar, dass die Parteivorstellungen sicherlich nicht eine objektiv völlig fehlende Gegenleistung ersetzen können. Auch eine "Umfrisierung" von Leistungen oder eine willkürliche Bewertung der gegenseitigen Leistungen ist nicht zulässig.
Rz. 159
Der BGH hat aber bislang noch keine abschließenden sachlichen Aussagen darüber gemacht, wann er solche Bewertungsannahmen für unzulässig hält. Er tritt missbräuchlichen Beurteilungen bislang im Wesentlichen nur mittels einer Beweiserleichterung zugunsten der von der Zuwendung nachteilig betroffenen Dritten entgegen: Bei einem "auffallend groben Missverhältnis" der beiderseitigen Leistungen wird vermutet, dass die Parteien dies erkannt haben und sich über die teilweise Unentgeltlichkeit einig waren. Für die dabei anzustellende Prüfung kommt es auf den Zeitpunkt der Zuwendung (Vollzug des Vertrages) an. Andererseits aber betont er, dass unter Verwandten zu berücksichtigen sei, dass sie den ohnehin nur schwer abzuschätzenden Wert ihrer Leistungen kaum je exakt kalkulieren könnten; deshalb sei für die einzelnen Leistungen von den Werten auszugehen, die bei verständiger, die konkreten Umstände berücksichtigender Beurteilung noch als vertretbar gelten könnten. Eine genaue quantitative Grenze, ab wann nicht mehr von einer gemischten Schenkung, sondern von einer vollentgeltlichen Zuwendung gesprochen werden kann, lässt sich der Rechtsprechung des BGH nicht entnehmen. So entschied etwa das OLG Koblenz, dass, wenn sich anhand der Bewertung des vorbehaltenen Nießbrauchs nach der einschlägigen Sterbetafel und abstrakt aufgrund einer "ex ante"-Betrachtung ergebe, dass im Zusammenhang mit dem zusätzlich zu erbringenden Kaufpreis der Wert der Gegenleistungen 81 % des Zuwendungswertes erreiche, diese Differenz von weniger als einem Fünftel des Grundstückswertes noch nicht als ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung anzusehen sei (welches die Annahme einer gemischten Schenkung indiziere).
Rz. 160
Für die Kautelarpraxis stellt sich damit die Frage, ob die von den Vertragsteilen vorgenommenen Bewertungen auch ausdrücklich in der Zuwendungsurkunde niedergelegt werden sollen. Dies ist jedoch ein nicht unproblematisches Vorgehen. Greift man dabei zu kurz und gibt zu niedrige Werte für die Gegenleistungen an, so hat man dem Pflichtteilsberechtigten etwas geschenkt. Beziffert man die Leistungen zu hoch, so kann man nur hoffen, dass im Wege einer "geltungserhaltenden Reduktion" wenigstens die "noch vertretbaren" Werte vom Gericht zugrunde gelegt werden. Keine Bedenken bestehen gegen die Aufnahme der Werte in der Urkunde, wenn diese durch ein Schätzgutachten untermauert sind. Eine Pflicht des Urkundsnotars zur Aufnahme einer Wertangabe in die notarielle Urkunde besteht jedenfalls nicht.
Rz. 161
Nicht unproblematisch sind aber andererseits im Hinblick auf das Prinzip der subjektiven Äquivalenz die Erklärungen der Vertragsteile, wonach sie "zum Zwecke der Gebührenbewertung" Wertangaben in der Urkunde machen. Allein zum Zwecke der Kostenersparnis werden hier mitunter völlig unrealistische Wertansätze genannt. Sie können in diesem Fall für die tatsächliche Bewertung der Rechte durch die Parteien nicht maßgeblich sein. Jedoch sollte dies auf alle Fälle vermieden werden, um unnötige Streitigkeiten zu vermeiden. Die Angaben können auch außerhalb der Urkunde gegenüber Notar oder Grundbuchamt gemacht werden; für die Verpflichtung zur Aufnahme in die Urkunde gibt es keine Rechtsgrundlage.
Rz. 162
Zu beachten ist weiter bei der "bewussten Ausnutzung" der subjektiven Äquivalenz, dass eine Gegenbestrebung im Vordringen ist, die als die "objektive Unentgeltlichkeit" bezeichnet wird und teilweise so weit geht, dass in jeder objektiv unentgeltlichen oder teilweise unentgeltlichen Zuwendung eine reine oder gemischte Schenkung i.S.d. Schutzvorschriften der §§ 528, 2325 BGB gesehen wird (siehe § 7 Rdn 32).