Rz. 74
Eine Fahrtenbuchauflage ist nur zulässig bei einem erheblichen Verkehrsverstoß, den die Verwaltungsbehörde auch nicht mit den zumutbaren Mitteln aufklären konnte, und wenn davon auszugehen ist, dass der Halter an der Aufklärung nicht mitwirken wollte.
Rz. 75
Tipp
Davon kann in der Regel dann nicht ausgegangen werden, wenn die Behörde nicht genügend ermittelt hat, insbesondere nicht Hinweisen des Halters nachgegangen ist (AG Warendorf zfs 2002, 156; AG Rudolfstadt DAR 2008, 38) oder der Eintritt der Verjährung auf eine verzögerliche Sachbearbeitung durch die Behörde zurückzuführen ist (VGH Bad.-Württ. DAR 2008, 278; VG Sigmaringen DAR 2016, 475). Dies gilt, wenn der Halter rechtzeitig die vollständigen Personalien des Fahrzeugführers übermittelt hat, auch dann, wenn die Verfolgung der OWi daran scheitert, dass in Ländern außerhalb der EU eine Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nur schwierig oder überhaupt nicht möglich ist (BayVGH zfs 2019, 355).
Rz. 76
Grundsätzlich ist die Fahrtenbuchauflage auch längere Zeit nach dem Verstoß noch zulässig. Zwar ist auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, dieser ist aber z.B. nach 19 Monaten zwischen Tat und Fahrtenbuchauflage noch nicht verletzt (Nds. OVG zfs 2014, 58), zumindest dann nicht, wenn eine Straftat zugrunde liegt (VG Sigmaringen zfs 2014, 59).
1. Erheblicher Verkehrsverstoß
Rz. 77
Es muss ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht vorliegen. Das ist bei nichteintragungspflichtigen Bußgeldern regelmäßig nicht der Fall (BVerwG DAR 1965, 167; NZV 2000, 386). Andererseits genügt bereits ein erstmaliger eintragungspflichtiger Verstoß (OVG Münster DAR 2006, 172; OVG des Saarlandes zfs 2010, 119; VGH Bad.-Württ. zfs 2014, 654).
Rz. 78
Ein Rotlichtverstoß (BVerwG zfs 1994, 70; OVG Lüneburg NZV 2004, 431) reicht aus u.U. sogar bei fehlerhafter Verlegung der Induktionsschleife (OVG Berlin DAR 2000, 328) und selbst an einer Baustellenampel (VGH Mannheim NZV 1991, 408), ebenso eine (eintragungspflichtige) Geschwindigkeitsüberschreitung (OVG Münster DAR 1995, 339; VG Mainz zfs 2006, 302; OVG Bremen NZV 2007, 644; VGH Bad.-Württ. zfs 2014, 654) oder ein Verstoß gegen das Überholverbot (BVerwG zfs 1995, 396).
Rz. 79
Von einigem Gewicht können selbst Verstöße sein, die nur mit einem Punkt bewertet werden. Ob dies der Fall ist, kann aber immer nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden (BVerwG NZV 2000, 386).
Achtung: Keine Überprüfungspflicht rechtskräftiger Entscheidungen
In der Regel braucht die Verwaltungsbehörde einen rechtskräftigen Voreintrag nicht mehr auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen; insbesondere wird der Betroffene mit einem Einwand gegen die Zuverlässigkeit des eingesetzten Messgerätes (hier ESO 3,0) nicht mehr gehört (VGH Mannheim DAR 2014, 103).
Selbstverständlich erfüllt auch eine nicht aufklärbare Verkehrsstraftat wie eine Unfallflucht die Voraussetzungen, auf Feststellungen zum Vorsatz kommt es hier nicht an (OVG Münster DAR 2005, 708; VG Sigmaringen zfs 2014, 59).
2. Zumutbare Ermittlungen
a) Geringe Anforderungen
Rz. 80
Voraussetzung ist des Weiteren, dass die Behörde mit zumutbaren Mitteln versucht hat, den Verantwortlichen zu ermitteln (BVerwG NJW 1988, 1104; VG des Saarlandes zfs 1995, 158; Hess. VGH zfs 2014, 418). Nicht notwendig sind wahllos durchzuführende, zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen (BVerwG VRS 64, 466). Nach Auffassung des Niedersächsischen OVG (zfs 2005, 269) und des VGH München (NZV 2019, 318) sollen weitere Ermittlungen bereits dann entbehrlich sein, wenn der Halter den unstreitig erhaltenen - Anhörungsbogen nicht zurückgeschickt hat. Das VG Trier (DAR 2015, 221) verlangt in Fällen, in denen ein Firmenfahrzeug betroffen ist, zumindest die Befragung des Geschäftsführers.
Dagegen sollen weitere Ermittlungen auch dann nicht erforderlich sein, wenn sich in der Akte ein Fahrerfoto befindet (Nds. OVG zfs 2007, 119) oder sich der Halter auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft (BVerwG zfs 2000, 367; Nds. OVG zfs 2007, 118). Das gilt gleichermaßen, wenn sich ein Geschäftsführer der Halterfirma auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft und weitere Befragungen am Sitz der Firma erfolglos geblieben sind (BayVGH zfs 2015, 476). Weder soll die Behörde im Internet nachforschen müssen (BayVGH zfs 2015, 476), noch ermitteln müssen, ob es weitere Geschäftsführer gibt (Nds. OVG NZV 2013, 256).
Auf jeden Fall kommt es für die Beurteilung der Frage, ob der Fahrer mit hinreichender Sicherheit zu identifizieren sein wird, zumindest so lange allein auf die Beurteilung der Behörde an, wie sich ihr die Täterschaft nicht hätte aufdrängen müssen (Nds. OVG zfs 2013, 236).
Rz. 81
Achtung: Benennung eines aussageverweigerungsberechtigten Verwandten
Das gilt jedoch nicht, wenn der Halter einen zur Aussageverweigerung berechtigten Verwandten als verantwortlichen Fahrer angibt. Dann kann die Verwaltungsbehörde nicht bereits im Hinblick auf eine mögliche Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht auf eine Befragung des Verwandten verzichten (VGH Bad.-Württ. zfs 2007, 595).
Rz. 82
Nach einer ...