Rz. 25
Vor allem dann, wenn einer Kennzeichenanzeige eine Straftat zugrunde liegt, ist mit einer Gegenüberstellung oder einer Wahllichtbildvorlage zu rechnen. Darauf muss der Verteidiger den Mandanten schon beim ersten Beratungsgespräch hinweisen, damit dieser ggf. sein Aussehen noch verändern kann.
Rz. 26
Tipp
Im Gegenüberstellungsverfahren sind bestimmte Regeln einzuhalten, siehe hierzu § 58 Abs. 2 StPO und insbesondere Nr. 18 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie LG Köln (NStZ 1991, 202), LG Münster (zfs 2003, 152) und Staub, DAR 2013, 660 sowie Goldkamp NZV 2019, 217.
Zu beachten ist außerdem, dass der Verteidiger jetzt gem. § 58 Abs. 2 StPO von der beabsichtigten Maßnahme informiert werden muss und ein Anwesenheitsrecht hat, dessen Verletzung u.U. zu einem Verwertungsverbot führt.
Rz. 27
Grundsätzlich soll eine Wahlgegenüberstellung erfolgen (OLG Rostock StV 1996, 416). Der Zeuge muss nämlich eine wirkliche Auswahl unter mehreren Personen haben, auf die alle von ihm zuvor bei seiner Personenbeschreibung angegebenen Merkmale zutreffen (BGHSt 93, 627; OLG Köln StV 1994, 412). Eine Einzelgegenüberstellung hat dagegen nur sehr geringen Beweiswert (BGH NStZ 1982, 342; OLG Stuttgart NStZ-RR 1997, 311). Das gilt auch, wenn der Zeuge den Angeklagten im Ermittlungsverfahren aufgrund eines Fotos wiedererkannt haben will, obwohl er sich bei dem zugrunde liegenden Vorfall in einer schwierigen und fehlerträchtigen Wahrnehmungssituation befunden hatte (OLG Düsseldorf DAR 2003, 40).
Rz. 28
Tipp: Wiederholtes Wiedererkennen
Ist dem Wiedererkennen in der Hauptverhandlung ein Wiedererkennen im Ermittlungsverfahren vorausgegangen, muss der Tatrichter dies im Rahmen der Beweiswürdigung ausdrücklich klarstellen, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob sich der Tatrichter des eingeschränkten Beweiswertes eines wiederholten Wiedererkennens bewusst ist (OLG Köln DAR 2002, 278). Das gilt vor allem, wenn die Wiedererkennung höchstwahrscheinlich durch eine vorhergehende Lichtbildvorlage beeinflusst war (LG Münster zfs 2003, 152).
Rz. 29
Außerdem muss das Gericht die Zuverlässigkeit der Angaben von Zeugen, sie hätten den Angeklagten im Ermittlungsverfahren auf Fotos wiedererkannt, anhand objektiver Kriterien nachprüfen. Dazu besteht umso eher Anlass, wenn sich die Zeugen in einer schwierigen und fehlerträchtigen Wahrnehmungssituation befanden (OLG Düsseldorf DAR 2003, 40) und sie den ihnen vorher unbekannten Täter nur kurze Zeit beobachten konnten (OLG Hamm zfs 2005, 261) oder längere Zeit zwischen Tat und Hauptverhandlung liegt (OLG Düsseldorf DAR 2016, 215).
Rz. 30
In Verkehrsstraf- und erst recht in Ordnungswidrigkeitensachen wird im Ermittlungsverfahren ein Gegenüberstellungsverfahren meist nicht durchgeführt. Deshalb ist die Gefahr, dass der Anzeiger den Mandanten nur deshalb als Täter zu erkennen glaubt, weil dieser auf der Anklagebank sitzt, besonders hoch (siehe § 1 Rdn 25). Mit gutem Grund stellt daher die Rechtsprechung an die Täteridentifizierung hohe (KG NStZ 1982, 193; BGH NStZ 1987, 288) bzw. besonders hohe (OLG Düsseldorf zfs 1994, 265) Anforderungen.