Leitsatz (amtlich)

Hat ein Zeuge den ihm zuvor unbekannten Täter anläßlich der Tat nur kurze Zeit beobachten können, so darf sich der Tatrichter nicht ohne weiteres auf die subjektive Gewißheit des Zeugen beim (ersten) Wiedererkennen anläßlich einer polizeilichen Lichtbildvorlage verlassen, sondern er muß anhand objektiver Kriterien die Beweisqualität dieser Wiedererkennung nachprüfen.

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten am 17. September 1999 wegen versuchten Einbruchsdiebstahls zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10, - DM verurteilt. Dieses Urteil war auf die Revision des Angeklagten durch Senatsbeschluß vom 5. Januar 2000 - 2a Ss 395/99-108/99 II - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben worden. Nunmehr hat das Amtsgericht gegen den Angeklagten eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20, - DM wegen gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall verhängt.

Die gegen dieses Urteil gerichtete (Sprung)Revision des Angeklagten hat - erneut - mit der allgemeinen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg, da das angefochtene Urteil sowohl zum Schuldspruch als auch zum Strafausspruch Rechtsfehler aufweist.

1.

Das Amtsgericht stützt seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten ausschließlich auf die Aussage des Tatzeugen H. . . . , der am 25. September 1998 an seinem auf der Straße abgestellten Pkw eine ihm zuvor unbekannte Person beim Versuch des Einbruchsdiebstahls auf frischer Tat ertappt und ihr bei dieser Gelegenheit aus einer Entfernung von etwa acht Metern für ein bis zwei Sekunden in die Augen gesehen hatte. Zur Identität des Angeklagtem mit dieser Person hat das Amtsgericht festgestellt:

"Der Zeuge H. . . . begab sich am nächsten Tag zur Polizeidienststelle und besah sich Lichtbildalben mit den Fotos in Frage kommender Straftäter. Er konnte den von ihm gesehenen Täter, der an der Fahrerseite in ein Fahrzeug einsteigen wollte, bei diesen Lichtbildern nicht erkennen. Er bezeichnete jedoch eine Person, die dem Äußeren dieses Täters sehr nahe kam, aber eindeutig nicht diese Person darstellte.

Am 1. 10. 1998 begab sich der Zeuge H. . . . erneut zur Polizei, dort wurden ihm Lichtbilder von zwei Personen vorgelegt. Er erkannte auf dem einen Foto, welches ein Lichtbildstreifen des Angeklagten war, diesen mit 100%iger Sicherheit als Täter, den er in die Fahrertür hatte einsteigen sehen, wieder. In der Hauptverhandlung vom 17. September 1999 erkannte der Zeuge H. . . . den Angeklagten ebenfalls wieder, ebenso wie in der Hauptverhandlung vom 8. 8. 2000. "

Zur Beweiswürdigung ist im angefochtenen Urteil ausgeführt, das Gericht sei sich zwar etwaiger Mängel der polizeilichen Lichtbildvorlage im Hinblick auf die in Nr. 18 S. 2 RiStBV niedergelegten Grundsätze bewußt, halte aber dennoch aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrucks die mehrfache Identifizierung des Angeklagten durch den Tatzeugen für zuverlässig. Ausweislich seiner glaubhaften Bekundungen in der Hauptverhandlung habe sich der Zeuge bei der Wiedererkennung des Angeklagten in allen drei Fällen ausschließlich an dem ihm noch vom Tattag erinnerlichen Bild des Täters orientiert und sei nicht beeinflußt worden durch die zuvor eingesehenen Lichtbilder oder durch den Umstand, daß man ihm das Foto des Angeklagten bei der Polizei am 1. Oktober 1998 als "das eines Tatverdächtigen" präsentiert habe.

Diese Erwägungen bilden keine hinreichende Nachprüfungsgrundlage für das Revisionsgericht. Zwar hat das Amtsgericht nicht verkannt, daß für die Zuverlässigkeit, der zeugenschaftlichen Angaben zur Täteridentifizierung der Beweiswert der ersten Wiedererkennung am 1. Oktober 1998 von maßgeblicher Bedeutung ist. Das angefochtene Urteil stellt diesbezüglich auch Einzelheiten zum Hergang der polizeilichen Lichtbildvorlage fest und weist - zu Recht - auf Bedenken hinsichtlich einer Einhaltung der in Nr. 18 S. 2 RiStBV niedergelegten Grundsätze hin. Die dennoch gewonnene tatrichterliche Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten ist indes nach wie vor unzureichend begründet.

Hat ein Zeuge den ihm zuvor unbekannten Täter anläßlich der Tat nur kurze Zeit beobachten können, so darf sich der Tatrichter nach der im Senatsbeschluß vom 5. Januar 2000 - 2a Ss 395/99-108/99 II - zitierten Rechtsprechung zur zeugenschaftlichen Täteridentifizierung nicht ohne weiteres auf die subjektive Gewißheit des Zeugen beim (ersten) Wiedererkennen anläßlich einer polizeilichen Lichtbildvorlage verlassen, sondern muß anhand objektiver Kriterien die Beweisqualität dieser Wiedererkennung nachprüfen (OLG Köln StV 94, 67, 68; OLG Rostock, StV 96, 419, 420). Hierbei ist in einer aus dem Urteil ersichtlichen Weise die zwecks Identifizierung erfolgte Beweiserhebung im einzelnen nachzuvollziehen und insbesondere zu untersuchen, ob den i...

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