Leitsatz (amtlich)

Der Tatrichter muss jedenfalls dann, wenn eine Lichtbildvorlage von ausschlaggebender Bedeutung für die Beweiswürdigung ist, im Urteil in revisionsrechtlich überprüfbarer Weise erkennen lassen, ob diese ordnungsgemäß erfolgt ist und welcher Beweiswert ihr zukommt.

 

Verfahrensgang

LG Kaiserslautern (Entscheidung vom 21.02.2018; Aktenzeichen 6112 Js 2389/16)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 21. Februar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Rockenhausen hat den Angeklagten am 28. August 2017 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt; ferner hat es die Einziehung einer sichergestellten Lederjacke angeordnet. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht das Urteil abgeändert und ihn wegen Diebstahls unter Einbeziehung der "durch Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 20. Januar 2017 (Az.: 449 Ds 503 Js 1461/14 - 838/16) verhängten Strafe und unter Auflösung der durch dieses Urteil gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe (ein Jahr und elf Monate)" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Einziehungsentscheidung des Amtsgerichts hat das Berufungsgericht unverändert übernommen.

Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte am 26. September 2015 in einem Drogeriemarkt zusammen mit einem Mittäter 30 Packungen Rasierklingen im Gesamtwert von 892,50 EUR gestohlen, indem er die Ware in seine Lederjacke packte und den Kassenbereich ohne Bezahlung verließ. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des seine Täterschaft bestreitenden Angeklagten im Wesentlichen aufgrund der Angaben der Zeugen ... überzeugt, die den Täter auf der Flucht beobachtet und den ihnen zuvor unbekannten Angeklagten jeweils im Rahmen von Wahllichtbildvorlagen wiedererkannt haben.

II.

Gegen die Erwägungen des Landgerichts zum Wiedererkennen des Angeklagten durch die Zeugen im Rahmen der Beweiswürdigung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Den Urteilsgründen kann insoweit jeweils lediglich entnommen werden, dass die vorgenannten Zeugen den Angeklagten "im Rahmen der von der Polizei durchgeführten Wahllichtbildvorlage identifiziert" haben; weitere konkretisierende Angaben zur Zusammenstellung der Wahllichtbildvorlage(n), deren Ablauf und zu den Äußerungen der Zeugen hierzu enthält das Berufungsurteil jedoch nicht. Entsprechende Ausführungen wären aber aus Rechtsgründen erforderlich gewesen.

Der Tatrichter muss jedenfalls dann, wenn eine Lichtbildvorlage von ausschlaggebender Bedeutung für die Beweiswürdigung ist, im Urteil in revisionsrechtlich überprüfbarer Weise erkennen lassen, ob diese ordnungsgemäß erfolgt ist und welcher Beweiswert ihr zukommt (BGH, Beschlüsse vom 27.02.1996 - 4 StR 6/96, juris Rn. 9 und vom 22.11.2017 - 4 StR 468/17, juris Rn. 4; OLG Koblenz, Beschluss vom 10.06.2015 - 1 Ss 188/13, juris Rn. 9 m.w.N.). Hat ein Zeuge - wie hier - den ihm vorher unbekannten Täter anlässlich der Tat zudem nur kurze Zeit beobachten können, kann sich der Tatrichter nicht ohne weiteres auf eine subjektive Gewissheit des Zeugen beim (ersten) Wiedererkennen verlassen. Er muss vielmehr anhand objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat. Hierbei ist in einer aus dem Urteil ersichtlichen Weise die zwecks Identifizierung erfolgte Beweiserhebung im Einzelnen nachzuvollziehen und insbesondere zu untersuchen, ob den in Nr. 18 S. 2 RiStBV niedergelegten Grundsätzen einer Wahlbildvorlage entsprochen wurde oder inwieweit gegebenenfalls die Gefahr einer - unter Umständen unbewussten - Beeinflussung des Zeugen durch sachfremde, das Beweisergebnis verfälschende äußere Umstände besteht (OLG Rostock, Beschluss vom 29.03.1996 - 1 Ss 217/95 I 7/96, StV 1006, 419; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.11.2000 - 2a Ss 328/00, NStZ-RR 2001, 109). Diesen Darstellungsanforderungen wird das angefochtene Urteil nicht vollumfänglich gerecht; der Senat kann daher nicht prüfen, ob das Landgericht den Beweiswert des Wiedererkennens zutreffend erfasst und gewürdigt hat.

1.

Offen bleibt bereits, ob bei der Durchführung der Wahllichtbildvorlage die (Mindest-)Anforderungen der RiStBV (dort Nr. 18 Abs. 1 und 3) eingehalten wurden. Danach sollen Zeugen im Rahmen der Wahllichtbildvorlage mindestens acht Personen gezeigt werden, wobei Vergleichspersonen gleichen Geschlechts, ähnlichen Alters und ähnlicher Erscheinung auszuwählen sind und aus der gewählten Form nicht erkennbar werden darf, wer von den Gegenübergestellten der Beschuldigte ist. Der Beweiswert des Wiedererkennens kann insbesondere dadurch geschmälert sein, wenn das den Angeklagten zeigende Bil...

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