I. Grundsätze
Rz. 61
Die Wirksamkeit von Kündigungen beurteilt sich nach den Umständen zum Zeitpunkt der Kündigung. Wird daher die unternehmerische Entscheidung getroffen, einen Betrieb stillzulegen, rechtfertigt dies die betriebsbedingte Kündigung. Fällt jedoch der Kündigungsgrund nachträglich weg, ist dieses Ergebnis für den Arbeitnehmer unbillig. Es muss deshalb ein Anspruch bestehen, die Wirkungen der ausgesprochenen Kündigungen wieder rückgängig zu machen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. In Rspr. und Literatur ist deshalb ein Wiedereinstellungsanspruch anerkannt (allgemein dazu siehe § 3 Rdn 91 f.). Keine Anwendung finden die Grundsätze zum Wiedereinstellungsanspruch im Kleinbetrieb. Sie gelten mit dieser Ausnahme jedoch uneingeschränkt auch für den Betriebsübergang. Kommt es also nicht zu der beabsichtigten Stilllegung, sondern (später) zu einem Betriebsübergang, haben sich die Umstände nach Ausspruch der Kündigung wesentlich geändert. Zudem können sich die objektiven Voraussetzungen eines Betriebsübergangs auch unabhängig und ohne Willen des kündigenden Arbeitgebers ergeben. Es gilt insbesondere in Fällen der Auftragsneuvergabe, in denen der bisherige Arbeitgeber infolge des Auftragsverlustes allen Arbeitnehmern kündigt und ein neuer Auftragnehmer den wesentlichen Teil der Belegschaft übernimmt. Wie bereits dargestellt (siehe oben Rdn 16 f.) kommt es auch in diesen Fällen zu einem Betriebsübergang, da die Arbeitnehmerschaft das wirtschaftliche Substrat und damit eine wirtschaftliche Einheit darstellt. Unterschieden wird dabei zwischen einem Wiedereinstellungsanspruch gegen den bisherigen Arbeitgeber bzw. Betriebsveräußerer und dem neuen Arbeitgeber bzw. Betriebserwerber.
II. Wiedereinstellungsanspruch gegen Altarbeitgeber
Rz. 62
Entscheidet sich der bisherige Arbeitgeber zunächst dazu, einen Betrieb bzw. eine Betriebsabteilung stillzulegen, kündigt daraufhin den betroffenen Arbeitnehmern betriebsbedingt und entschließt sich schließlich während des Laufs der Kündigungsfrist zu einem Betriebsübergang auf einen neuen Betriebsinhaber, erweist sich die ursprüngliche Prognosegrundlage für die notwendige Betriebsstilllegung als falsch. Der Arbeitnehmer kann daher in diesen Fällen gegen den kündigenden Arbeitgeber einen Wiedereinstellungsanspruch geltend machen. Hat allerdings der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die (angenommene) Wirksamkeit der Kündigung bereits Dispositionen getroffen und ist ihm daher die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar, kann dies einen Wiedereinstellungsanspruch ausschließen. Dies gilt z.B., wenn der potentielle Erwerber das Unternehmen nur mit einer geringeren Arbeitnehmerzahl fortführen möchte. Kann der Arbeitgeber von den wieder einzustellenden Arbeitnehmern nur einen Teil berücksichtigen, ist er verpflichtet, bei der Auswahl soziale Gesichtspunkte zugrunde zu legen.
III. Vertragsfortsetzungsanspruch gegen den Betriebserwerber
Rz. 63
Kommt es nach Ausspruch der Kündigung zu einem Betriebsübergang, hat der gekündigte Arbeitnehmer einen Vertragsfortsetzungsanspruch gegen den neuen Arbeitgeber bzw. Betriebserwerber. Dieser Anspruch kann allerdings nicht nur während des Laufs der Kündigungsfrist, sondern auch nach Ablauf der Kündigungsfrist, mithin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, geltend gemacht werden. Nicht in allen Fällen ist nämlich dem Arbeitnehmer der Betriebsübergang bekannt. Erlangt er aber erst zu einem späteren Zeitpunkt (nach Ablauf der Frist) Kenntnis, ist dies von ihm nicht zu vertreten. Auch können zwischen der beabsichtigten Betriebsstilllegung und dem späteren Betriebsübergang längere Unterbrechungen von einigen Monaten liegen. Richtigerweise muss man daher für den Beginn von Fristen auf die Kenntnis von dem Betriebsübergang abstellen und die Frist zur Geltendmachung des Vertragsfortsetzungsanspruchs an die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 S. 1 BGB anbinden.
IV. Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz
Rz. 64
Besonderheiten bestehen für den Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz. Die Einzelheiten waren bis zum Grundsatzurteil des BAG v. 28.10.2004 heftig umstritten. Nach dieser Entscheidung ist der Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz nunmehr zeitlich begrenzt. Nach Ablauf der Frist einer insolvenzbedingten Kündigung besteht kein Anspruch au...