Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 19
Nach § 1836 c BGB kommt es darauf an, ob dem Betreuten zumutbar ist, sein dort genanntes Einkommen und Vermögen einzusetzen. Die Zumutbarkeit leitet sich aus der Zumutbarkeitsbestimmung des § 19 Abs. 3 SGB XII ab. Ab 1.1.2023 wird durch § 1880 BGB n.F. der Einsatz von Einkommen abgeschafft.
1. Einkommen
Rz. 20
Die §§ 85 ff. SGB XII konkretisieren die Zumutbarkeit des Einsatzes des Einkommens. Damit ist nicht jedes Einkommen (§ 82 SGB XII) einsatzpflichtig, sondern nur dasjenige, das unter Berücksichtigung der Einkommensgrenze (§§ 85–87 SGB XII) ermittelt worden ist. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen (siehe bei § 3 zu SGB XII). Wird im Einzelfall der Einsatz eines Teils des Einkommens zur Deckung eines bestimmten Bedarfs im Rahmen der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII zugemutet oder verlangt, darf dieser Teil des Einkommens bei der Prüfung, inwieweit der Einsatz des Einkommens zur Deckung der Kosten der Betreuung einzusetzen ist, nicht mehr berücksichtigt werden. Als Einkommen gelten auch Unterhaltsansprüche sowie die wegen Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtenden Renten.
2. Gilt der Vermögensschonbetrag des SGB XII?
Rz. 21
Das Vermögen ist nach § 1836c Nr. 2 BGB (§ 1880 Abs. 2 BGB n.F.) nach Maßgabe des § 90 SGB XII einzusetzen. Auf die Bestimmung des Vermögensbegriffs und die Vermögensschontatbestände sowie die Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII wird Bezug genommen (siehe § 3 zu SGB XII).
Rz. 22
Ein zur Zeit der Betreuertätigkeit mittelloser Betreuter muss – vorbehaltlich eingetretener Verjährung – auch etwaige später verfügbare Mittel für die Kosten der Betreuung einsetzen. Für die Feststellung, ob der Betreute mittellos oder vermögend ist, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz abzustellen.
3. Oder kann auch Vermögensschonbetrag des SGB IX gelten?
Rz. 23
In einer Entscheidung zum Vermögensschonbetrag bei Eingliederungshilfeleistungen hat der BGH klargestellt, dass für den Vermögensschonbetrag das Sozialhilferecht des SGB XII und nicht das SGB IX gilt.
Fallbeispiel 81: Die Berufsbetreuerin und der Pflichtteilsanspruch
B leidet an einer langjährigen und chronifizierten Psychose und steht unter Betreuung einer Berufsbetreuerin. Er bekommt Eingliederungshilfe (SGB IX). Die Berufsbetreuerin erhielt für ihre in der Zeit vom September 2019 bis März 2020 entfaltete Tätigkeit eine Vergütung in Höhe von 1.650 EUR aus der Staatskasse ausgezahlt.
Unter Berücksichtigung eines Pflichtteilsanspruchs nach seiner verstorbenen Mutter, den das Amtsgericht auf ca. 17.500 EUR geschätzt hat, hat es B durch Beschluss nach §§ 292,168 FamFG zur Zahlung eines einmaligen Betrags in Höhe von 1.650 EUR an die Staatskasse verpflichtet. Hiergegen hat B Beschwerde eingelegt, weil er sich darauf beruft, dass er als Bezieher von Eingliederungshilfe einen erhöhten Vermögensschonbetrag nach § 139 SGB IX beanspruchen könne. Mit Erfolg?
Rz. 24
Falllösung Fallbeispiel 81:
Gegen den Beschluss kann B Beschwerde nach § 59 FamFG einlegen. Materiell-rechtlich verweisen die §§ 1908i, 1836c BGB hinsichtlich der Einsatzpflicht des Beschwerdeführers für das Einkommen auf die §§ 82, 85-87 SGB XII und für das Vermögen auf § 90 SGB XII.
Der BGH, der den Fall zu entscheiden hatte, hat ohne weitere Prüfung angenommen, dass es sich bei dem Pflichtteilsanspruch um Vermögen handelt, obwohl nach den sozialhilferechtlichen Abgrenzungsregeln für Einkommen und Vermögen alles dafür spricht, dass zumindest zunächst von einer Rechtsqualität als Einkommen auszugehen war. Denn alles, was während des Bedarfszeitraum zufließt, ist sozialhilferechtlich Einkommen. Auch eine Forderung, die anfänglich Vermögen ist, wird von der Rechtsprechung bei Realisation als Einkommen behandelt (siehe dazu vorstehend zum Pflichtteilsanspruch im SGB XII) und kann erst nach Ablauf von 6 Monaten nach § 82 Abs. 7 SGB XII zu Vermögen mutieren. Nähme man an, dass die Umwandlung in Vermögen Ausgangspunkt der Entscheidung war, dann war die rechtserhebliche Frage, ob der Betreute als Bezieher von Eingliederungshilfe (SGB IX) nach § 1836c Nr. 2 BGB 5.000 EUR nach § 90 Abs. Nr. 9 SGB XII als Schonvermögen geltend machen konnte oder nach § 139 SGB IX 150 % der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (59.220 EUR alte Bundesländer; 56.070 EUR neue Bundesländer Stand 2021).
Hinweis
Die Höhe der Beträge wird durch die Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII näher bestimmt. Es wird zumeist vernachlässigt, dass der Betrag von 5.000 EUR für den Betreuten nach § 2 der DVO angemessen zu erhöhen ist, wenn im Einzelfall eine besondere Notlage der nachfragenden Person besteht. Bei der Prüfung, ob eine besondere Notlage besteht, sowie bei der Entscheidung über den Umfang der Erhöhung sind vor allem Art und Dauer des Bedarfs sowie besondere Belastungen zu berücksichtigen. Der Schonbetrag ist also nicht "in Stein gemeißelt".
Rz. 25
Der BGH hat – auch in weiteren Entscheidungen...