a) Verhalten vor Fristablauf

 

Rz. 26

Der VR muss den VN nach der Schadenmeldung über die einzuhaltende Invaliditätsfrist belehren, wenn bei vernünftiger Betrachtung aus Sicht des VR der Eintritt eines Dauerschadens nahe liegt. Andernfalls kann er sich nicht auf eine Fristversäumnis berufen, da dies ein treuwidriges (rechtsmissbräuchliches) Verhalten wäre.[31]

Hat der VR vor Fristablauf ein Gutachten in Auftrag gegeben, ohne den VN darüber zu belehren, dass dieser für eine fristgerechte ärztliche Feststellung zu sorgen hat, so darf sich der VR eine Fristversäumnis ebenfalls nicht geltend machen.[32]

Der VN muss grundsätzlich für eine ärztliche Invaliditätsfeststellung selbst sorgen, auch wenn er dem VR eine Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht zur Verfügung gestellt hat.[33] Der VR darf sich in solchen Fällen auf die Fristversäumnis berufen.

Ob der VR eine Fristversäumnis geltend machen kann, wenn er vor Fristablauf die Leistungen insgesamt abgelehnt hat, ist umstritten.[34] Richtigerweise wird man den Einwand der Fristversäumung gelten lassen müssen, da der VR dem VN kaum die widersprüchliche Mitteilung geben kann, dass ein Anspruch insgesamt (dem Grunde nach) nicht bestehe, aber für die Geltendmachung einer Invalidität die Fristen zu beachten seien.

Eine anwaltliche Vertretung des VN entbindet den VR nicht von seiner Hinweisverpflichtung.[35]

[31] Vgl. auch Jacob, VersR 2007, 456 ff.
[32] Marlow, r+s 2006, 397, 401 m.w.N.
[34] Die h.M. lehnt dies ab: Marlow, r+s 2006, 397, 401 m.w.N; a.A. BGH v. 30.11.2005 – IV ZR 154/04, NJW 2006, 911 = r+s 2006, 122.
[35] Grimm, Ziff. 2 Rn 12 m. w. Bsp.

b) Verhalten nach Fristablauf

 

Rz. 27

Befasst sich der VR nach Fristablauf mit einer sachlichen Prüfung des Anspruchs und beruft sich dann auf den Fristablauf, so stellt dies alleine kein treuwidriges Verhalten dar.[36] Das gilt sogar dann, wenn nach Fristablauf noch eine Nachuntersuchung veranlasst wurde.[37] Für ein treuwidriges Verhalten des VR müssen noch weitere Umstände hinzukommen, so z.B., wenn der VP erhebliche und belastende körperliche Untersuchungen abverlangt wurden.[38]

[36] OLG Hamm v. 29.11.1996 – 20 U 91/96, r+s 1997, 130; OLG Saarbrücken v. 3.11.2004 – 5 U 19/04–26, VersR 2005, 929.
[37] LG Chemnitz v. 6.7.2001 – 5 O 1144/01, r+s 2002, 306.
[38] OLG Saarbrücken v. 3.11.2004 – 5 U 19/04–26, VersR 2005, 929.

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