Entscheidungsstichwort (Thema)

Lebensversicherung, Treuwidrigkeit des Widerrufs

 

Leitsatz (amtlich)

Der Widerruf einer auf Abschluss eines Basisrentenversicherungsvertrags ("Rürup-Rente") gerichteten Willenserklärung durch den Versicherungsnehmer kann treuwidrig sein, wenn der Versicherungsnehmer durch formell ordnungsgemäße Belehrung über das grundsätzliche Bestehen eines Widerrufsrechts informiert wurde, er dann mehrere Zuzahlungen beantragt und geleistet hat und den Vertrag auf dieser geänderten Grundlage fortgeführt hat. - Treuwidrigkeit hier bejaht.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 18 O 5/22)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 04.11.2022 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Berufungsstreitwert: 41.500 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Basisrentenversicherung (Rürup-Rente) mit der Bezeichnung Basisrente X, Vertragsnummer 1013680179-01 (nachfolgend auch: Rentenversicherung) genommen.

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung aufgrund Widerrufs und Schadensersatz.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz, der Anträge und der Entscheidung des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 4 ff. eGA-II für die elektronische Gerichtsakte zweiter Instanz) Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Auf die Berufungsbegründung vom 08.02.2023 (Bl. 38.eGA-II) wird Bezug genommen.

Sie beantragt:

Unter Änderung des Urteils des Landgericht Bielefeld vom 07.10.2022, Az.: 18 O 5/22,

1. wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 41.500,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.11.2021 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.877,11 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 14.06.2023 (Bl. 53 ff. eGA-II) mitgeteilt, dass er die Zurückweisung der Berufung beabsichtige.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 04.07.2023 Stellung genommen. Auch darauf wird Bezug genommen.

II. 1. Der Senat weist die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurück. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

a) Mit seinem Hinweisbeschluss vom 14.06.2023 hat der Senat ausgeführt:

"Die Berufung ist unbegründet. Wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, kann die Klägerin weder unter dem Gesichtspunkt des Widerrufs noch unter dem des Schadensersatzes wegen einer Beratungspflichtverletzung die Rückabwicklung der Rentenversicherung verlangen.

1. Die Klägerin hat die Rentenversicherung nicht wirksam widerrufen. Zwar war die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß (a). Die Ausübung des Widerrufsrechts ist vorliegend aber treuwidrig (b).

a) Die das Widerrufsrecht betreffende Regelung in § 8 VVG in der hier maßgeblichen, vom 01.01.2008 bis zum 16.12.2009 geltenden Fassung (nachfolgend: a.F.), lautete:

§ 8 Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers

(1) Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und muss keine Begründung enthalten; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

(2) Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem folgende Unterlagen dem Versicherungsnehmer in Textform zugegangen sind:

1. der Versicherungsschein und die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 und

2. eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs, die dem Versicherungsnehmer seine Rechte entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels deutlich macht und die den Namen und die Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, sowie einen Hinweis auf den Fristbeginn und auf die Regelungen des Absatzes 1 Satz 2 enthält.

Die Belehrung genügt den Anforderungen des Satzes 1 Nr. 2, wenn das vom Bundesministerium der Justiz auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 5 veröffentlichte Muster verwendet wird. Der Nachweis über den Zugang der U...

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