Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1201
In der Praxis wird zwischen der ordentlichen und der außerordentlichen Hauptversammlung unterschieden. Rechtlich gibt es zwischen beiden Arten keinen Unterschied. In der ordentlichen Hauptversammlung, die nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AktG regelmäßig in den ersten 8 Monaten eines Geschäftsjahres stattfindet, werden die jährlich wiederkehrenden Beschlüsse gefasst:
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Vorlage des Jahresabschlusses, |
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Verwendung des Bilanzgewinns, |
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Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, |
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Vergütungssystem und Vergütungsbericht für Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats einer börsennotierten AG, |
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Bestellung des Abschlussprüfers. |
Rz. 1202
Darüber hinaus erstattet der Vorstand in der ordentlichen Hauptversammlung regelmäßig einen Bericht über die Geschäftslage der Gesellschaft. Über diesen Bericht ist kein Beschluss zu fassen.
Rz. 1203
Bei einer börsennotierten Gesellschaft hat der Vorstand der Hauptversammlung ebenso einen erläuternden Bericht zu den Angaben nach §§ 289 Abs. 4, 315 Abs. 4 HGB zugänglich zu machen (§ 176 Abs. 1 Satz 1 AktG). Für nicht börsennotierte Gesellschaften (§ 3 Abs. 2 AktG) besteht eine solche Berichtspflicht nicht.
Rz. 1204
Auszulegen sind der vom Aufsichtsrat gebilligte Jahresabschluss nach § 325a HGB, der Lagebericht, der Bericht des Aufsichtsrates und der Vorschlag des Vorstands für die Verwendung des Bilanzgewinns. Nach § 175 Abs. 2 AktG erstreckt sich der erläuternde Bericht an die Hauptversammlung nur noch auf die Angaben zu § 289 Abs. 4 und § 315 Abs. 4 HGB, nicht mehr aber auch auf Angaben nach § 289 Abs. 5 HGB.
Rz. 1205
Um eine außerordentliche Hauptversammlung handelt es sich, wenn zusätzlich zu der ordentlichen Hauptversammlung eine weitere Hauptversammlung einberufen wird, um Tagesordnungspunkte zu behandeln, die nicht zu den o.g. Gegenständen gehören und die aufgrund ihrer Aktualität auch nicht i.R.d. ordentlichen Hauptversammlung mit abgearbeitet werden können.
a) Einberufung/Zuständigkeit/Dauer
Rz. 1206
Wegen der Zuständigkeit der Hauptversammlung, der Art und Weise der Einberufung, der Dauer wie auch der Teilnahmevoraussetzungen wird auf die Ausführungen zur Satzung der AG verwiesen (vgl. oben Rdn 1094 ff.).
b) Vertagung/Absetzung/Wiedereröffnung/Unterbrechung der Hauptversammlung
Rz. 1207
Bis zum Beginn der Hauptversammlung ist derjenige, der die Hauptversammlung einberufen hat, auch zur Rücknahme der Einberufung (Vertagung, Verschiebung, Absetzung) berechtigt (s.o. Rdn 1080). Regelmäßig ist dies der Vorstand.
Rz. 1208
Wird die Hauptversammlung vom Vorstand aufgrund eines Minderheitsverlangens nach § 122 Abs. 1 AktG einberufen, darf der Vorstand diese Hauptversammlung nach h.L. nur absagen, wenn die Minderheit ihr Verlangen zurücknimmt. Der BGH sieht dies anders. Aus der Einberufungsbefugnis des Vorstands resultiere auch seine Befugnis zur Rücknahme der Einberufung – und zwar ungeachtet dessen, dass der Vorstand bei einem entsprechenden Minderheitsverlangen zur Einberufung verpflichtet sei und er dieser Pflicht zunächst auch gefolgt sei. Erfolgt die Einberufung der Hauptversammlung aufgrund Ermächtigung nach § 123 Abs. 3 AktG durch die Minderheitsaktionäre selbst, scheidet dagegen eine Rücknahme der Einberufung durch den Vorstand aus.
Rz. 1209
Nach Ansicht des BGH erlischt das Recht zur Rücknahme der Einberufung spätestens mit förmlicher Eröffnung der Hauptversammlung. Eine Rücknahme ist aber auch schon dann nicht mehr möglich, wenn sich in dem als Hauptversammlungsraum angegebenen Ort Aktionäre eingefunden haben und der als Beginn der Hauptversammlung angegebene Zeitpunkt verstrichen ist. Danach ist nur noch eine Beendigung bzw. Vertagung möglich, über die die Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit beschließt. Wenn ein Aktionär die Vertagung der Hauptversammlung verlangt, muss der Versammlungsleiter darüber abstimmen lassen.
Rz. 1210
Für die Rücknahme der Einberufung ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. § 121 Abs. 4 Satz 1 oder 2 AktG gelten nicht. Es muss der in Anbetracht des Zeitpunkts der Rücknahme und der Aktionärsstruktur effektivste Weg der Information der Aktionäre (Bundesanzeiger, Tagespresse, Internet, Medienbündel) gewählt werden. Der BGH verlangt eine an alle Aktionäre gerichtete Mitteilung.
Rz. 1211
Wird die Hauptversammlung auf einen anderen Termin verlegt, sind sowohl die Formalien der Rücknahme der Einberufung als auch der Änderung der Einberufung zu beachten. Dies gilt auch für sonstige Änderungen der Einberufung. Ein geringfügig verspäteter Beginn (bis zu 30 Minuten) oder eine bloße Unterbrechung ist keine Terminverlegung. Im Einzelfall, so etwa bei Verkehrsbehinderungen, kann auch eine größere Verzögerung statthaft sein, wenn sie dazu dient, möglichst vielen Aktionären zu ermöglichen, an der Hauptversammlung ab deren Beginn teilzunehmen. Zuständig ist hierfür der Versammlungsleiter. Die Vertagung einer bereits eröffneten Hauptversammlung unterliegt dagegen allein der Entscheidung der Hau...