Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 295
Die materielle Gesellschafterstellung, also die Mitgliedschaft in der GmbH wird durch den Geschäftsanteil vermittelt und kommt somit dem zu, der Geschäftsanteile an der GmbH hält. Hiervon zu unterscheiden ist die relative Gesellschafterstellung im Verhältnis zur Gesellschaft. Hierfür sind nicht die dem materiellen Recht zu entnehmenden Anknüpfungspunkte maßgeblich. Vielmehr wird die unwiderlegbare Vermutung begründet, dass unabhängig von der materiellen Rechtslage derjenige Gesellschafter ist, der in der Form des § 16 Abs. 1 GmbHG legitimiert, also als Gesellschafter in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Materiell-rechtliche Beteiligung und formell-rechtliche Legitimation können somit auseinander fallen und sind unabhängig voneinander. Die Eintragung in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste begründet gegenüber der Gesellschaft die unwiderlegbare Vermutung, dass der Eingetragene Gesellschafter ist. Diese Vermutungswirkung bezieht sich auf alle Gesellschafterrechte. Alleinige Legitimationsbasis für die Ausübung von Gesellschafterrechten ist also die Gesellschafterliste.
Konsequenz dieser fingierten Wirkung im Innenverhältnis zur Gesellschaft ist, dass auch das Stimmrecht des Gesellschafters von dem Eintritt dieser Fiktion abhängig ist, ebenso wie sämtliche anderen denkbaren Mitgliedschaftsrechte (Gewinnbezugsrechte, Teilnahmerechte in Gesellschafterversammlungen, Minderheits- und Informationsrechte, Widerspruchs- und Anfechtungsrechte, Abfindungsrechte, Verfahrens- und Prozessrechte). Ferner ist derjenige, der in der Liste als Gesellschafter geführt ist, zur Gesellschafterversammlung zu laden. Die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste gilt dabei zugunsten wie zulasten des Eingetragenen. Einem nicht in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter fehlt die erforderliche Berechtigung zur Geltendmachung von auf die Nichtigerklärung von Gesellschafterbeschlüssen und auf positive Beschlussfeststellung gerichteten Klageanträgen. Die negative Legitimationswirkung hindert die Gesellschaft jedoch nicht an der Einziehung eines materiell-rechtlich bestehenden, fehlerhaft in der Liste gelöschten Geschäftsanteils.
Den Eingetragenen muss die Gesellschaft selbst dann als Gesellschafter anerkennen, wenn ihr die materielle Unrichtigkeit der Gesellschafterstellung bekannt ist, oder der materielle Anteilserwerb wegen Verstoßes gegen gesetzliches Verbot unwirksam ist. Zahlt der Listengesellschafter in die Kapitalrücklagen ein, ohne materiell-rechtlich Gesellschafter zu sein, hat er allerdings regelmäßig keinen Rückzahlungsanspruch gegen die Gesellschaft sondern nur einen Wertersatzanspruch gegen den/die begünstigten Gesellschafter. Die Grenzen der Inanspruchnahme des sog. "Scheingesellschafters" – also desjenigen, der nie Gesellschafter war, aber dennoch fälschlicherweise in die Liste aufgenommen wurde – für rückständige Leistungen sind umstritten.
Ungeklärt ist weiterhin, welche Ausnahmefälle anzuerkennen sind, in denen die Fiktion nicht als unwiderleglich behandelt wird. In der Lit. wird geltend gemacht, dass dies der Fall sei, wenn der bloße Listengesellschafter seine Stellung in einem Zustand der Geschäftsunfähigkeit oder ohne jede Mitwirkung seinerseits (vollmachtlose Vertretung) erlangt hatte oder zum Erwerb aufgrund absoluter Gewalt gezwungen wurde. Hier stellt sich die Frage, ob der Nichtigkeitsgrund des Erwerbs der Gesellschafterstellung auf die Zurechenbarkeit der Listenposition durchschlägt. Einer durch einen Unbefugten eingereichten, oder sogar gefälschten Liste ist die Wirkung von § 16 Abs. 1 GmbHG ebenfalls zu versagen.
Rz. 296
Trotz der enormen Bedeutung der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste für das Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft, besteht keine Prüfungspflicht des Registergerichts auf Richtigkeit der enthaltenen Veränderungen. Das Registergericht ist berechtigt, die Liste auf Einhaltung der (formalen) Anforderungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu prüfen und die Aufnahme bei deren Nichteinhaltung zu verweigern. Dies umfasst auch die formale Einreichungszuständigkeit, also ob die eingereichte Liste vom Geschäftsführer der Gesellschaft (§ 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG) oder dem mitwirkenden Notar (§ 40 Abs. 2 GmbHG) stammt. Hinsichtlich der materiellen Richtigkeit ist richtigerweise davon auszugehen, dass dem Registergericht ein begrenztes Prüfungs- und Zurückweisungsrecht zusteht, soweit es positive Kenntnis von der Unrichtigkeit der eingereichten Liste hat. Ein Streit über die materielle Wirksamkeit der der Änderung zugrundeliegenden Rechtshandlung berechtigt das Registergericht nicht, das Eintragungsverfahren auszusetzen.
Rz. 297
Dem durch Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste in der Ausübung seiner Gesellschafterliste bedrohten Gesellschafter ist es allerdings möglich, im Wege des einstweilig...