Rz. 1370

Im Rahmen des § 118 AktG gibt es jedoch vielfältige Möglichkeiten, dass die Aktionäre ihre Hauptversammlungsrechte online außerhalb der Hauptversammlung ausüben. Dabei kann aber das Recht der Aktionäre auf physische Präsenz in der Hauptversammlung nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Daneben gewährt § 118a AktG nunmehr die Möglichkeit, eine Hauptversammlung auch vollständig online und ohne Recht auf physische Teilnahme durchzuführen.

a) Proxy Voting

 

Rz. 1371

Zulässig ist es, dass sich ein Aktionär in der Präsenz-Hauptversammlung durch einen Stimmrechtsvertreter vertreten lässt (§ 134 Abs. 3 AktG).

 

Rz. 1372

Ist für den Aktionär ein Stimmrechtsvertreter in der Hauptversammlung anwesend und erhält der Aktionär Kenntnis vom Geschehen in der Hauptversammlung, kann er "von außen" seinem Vertreter in der Hauptversammlung Weisungen über die Ausübung des Stimmrechts erteilen. Voraussetzung hierfür ist, dass die die Hauptversammlung im Internet oder einem sonstigen Medium "nach außen" übertragen wird. Eine solche Übertragung der Hauptversammlung ist nach § 118 Abs. 4 AktG zulässig, sofern die Satzung oder die Geschäftsordnung eine entsprechende Regelung enthält bzw. den Vorstand oder den Versammlungsleiter dazu ermächtigt. Fehlt eine solche Regelung bzw. Ermächtigung in der Satzung bzw. in der Geschäftsordnung, ist eine Übertragung der Hauptversammlung in Ton und Bild nur eingeschränkt zulässig. Die Entscheidung trifft hierzu der Versammlungsleiter. Ohne Weiteres zulässig ist dabei eine Übertragung der Redebeiträge des Vorstands und des Versammlungsleiters. Soweit es dagegen auch um die Übertragung der Redebeiträge der Aktionäre geht, ist zum Schutze des Persönlichkeitsrechts eine solche nur zulässig, wenn hierzu die Zustimmung der betroffenen Aktionäre vorliegt.[3865] Stimmen diese einer Übertragung nicht zu, muss diese der betroffenen Aktionäre unterbleiben. Eine solche ganz- oder teilweise Übertragung der Hauptversammlung nach außen ermöglicht es dem Aktionär, seinem in der Hauptversammlung anwesenden Vertreter noch Weisungen für die Stimmabgabe zu erteilen (Proxy Voting).[3866]

 

Rz. 1373

Ein Anspruch darauf, dass die Gesellschaft mit der ganz- oder teilweisen Übertragung der Hauptversammlung im Internet oder in einem sonstigen Medium überhaupt erst die Voraussetzungen für ein "Proxy Voting" (= Stimmrechtsvertretermodell) schafft, besteht für den einzelnen Aktionär nicht.

[3865] Koch, AktG, § 118 Rn 17; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 118 Rn 46; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, § 118 Rn 44 ff.
[3866] Semler/Volhard/Reichert/Höreth/Pickert, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung § 7 Rn 17; Mimberg, ZGR 2003, 21, 48; s. dazu auch Zetzsche, ZIP 2001, 682 ff., m.w.N.

b) Online-Teilnahme, Briefwahl

 

Rz. 1374

Nach § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG besteht ebenso die Möglichkeit, in der Satzung der Gesellschaft für die Präsenz-Hauptversammlung eine echte digitale Teilnahmeform einzuführen. § 118 Abs. 2 AktG ermöglicht die Abstimmung per Briefwahl. Davon zu unterscheiden ist die "Online-Abstimmung" in der Hauptversammlung, also die Stimmabgabe durch den in der Hauptversammlung anwesenden oder vertretenen Aktionär mittels "elektronischer Wahlurne.[3867]" Dies ist eine Abstimmung "in" der Hauptversammlung und eine besondere Art der Abstimmung. Ihre Zulässigkeit ist danach zu beurteilen, ob das Abstimmungsverfahren in der Satzung geregelt ist oder ob hierüber der Versammlungsleiter entscheiden kann.

[3867] Simon, NZG 2017, 567 ff.

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