Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 2130
Die Gründung einer Tochter-SE (Art. 2 Abs. 3 SE-VO) ist die dritte von der SE-VO vorgesehene originäre Gründungsvariante.
An der Gründung einer Tochter-SE können sich gem. Art. 2 Abs. 3 SE-VO AG, SE, GmbH sowie sonstige juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft haben, beteiligen. Neben AG und GmbH sind auch juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts zur Gründung einer Tochter-SE zugelassen.
Hinweis
Bei der Gründung einer Tochter-SE handelt es sich um die einfachste Gründungsvariante. Für die Gründung einer Tochter-SE verweist die SE-VO einfach auf das nationale Recht, sodass eine Tochter-SE weitestgehend wie eine nationale AG gegründet wird.
Rz. 2131
Die an der Gründung einer Tochter-SE beteiligten Gründungsgesellschaften können den mehrstaatlichen Bezug dadurch herstellen, dass mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen. Möglich ist auch, dass mindestens zwei der Gründungsgesellschaften seit mindestens 2 Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben.
Der Begriff der Tochtergesellschaft ist weit zu verstehen und entspricht Art. 54 Abs. 2 AEUV. Ebenso muss der Begriff Zweigniederlassung weit verstanden werden. Es muss zwar eine Hauptniederlassung bestehen, nach den Entscheidungen des EuGH ist diese aber lediglich eine formale Voraussetzung. Am Ort der Hauptniederlassung müssen nicht auch die hauptsächlichen geschäftlichen Aktivitäten konzentriert sein. Vielmehr reicht ein "Briefkasten" als Hauptniederlassung aus.
Im Gegensatz zu den anderen Gründungsvarianten und zur Sitzverlegung ist die Gründung einer Tochter-SE nicht als Strukturmaßnahme ausgestaltet. Damit reduziert sich der mit den anderen Gründungsvarianten einhergehende hohe Zeit- und Kostenaufwand. Außerdem gibt es keine Minderheitsgesellschafter, die gegen die Gründung Einwände erheben könnten. Eine Einteilung in Vorbereitungsphase, Beschlussphase und Vollzugsphase lässt sich nicht vornehmen.
Die Regelungen zur Gründung einer Tochter-SE sind knapp gehalten. Art. 36 SE-VO enthält lediglich einen Verweis auf das nationale Recht, das bei Gründung einer AG Anwendung findet. Eine Tochter-SE ist nach denselben Vorschriften wie eine nationale AG zu gründen. Da die Gründungsprozedur vertraut ist, ist die Gründung einer Tochter-SE ein relativ rechtssicherer Weg in die Europäische Gesellschaft (SE).
Rz. 2132
Ein Beschluss der Hauptversammlung ist nicht notwendig. § 119 Abs. 1 AktG legt die Zuständigkeiten der Hauptversammlung der AG fest. In Fragen der Geschäftsleitung hat die Hauptversammlung grds. keine Kompetenz. Die Leitung der Gesellschaft obliegt dem Vorstand in eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1 AktG). Mithin liegt die Verantwortung für die Gründung einer Tochter-SE bei den Leitungs- bzw. Verwaltungsorganen der Gesellschaft.