Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
a) Grundlagen
Rz. 1375
Nach § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG kann die Satzung vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen vorzusehen, das die Aktionäre an der Hauptversammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort und ohne einen Bevollmächtigten teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Recht ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können.
aa) Präsenzversammlung mit Versammlungsleiter, Vorstand, Aufsichtsrat und Notar
Rz. 1376
Grundlage jeder Hauptversammlung ist zunächst die Zusammenkunft der Aktionäre zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. An diesem Ort muss sich der Versammlungsleiter, die Verwaltung der Gesellschaft (§ 118 Abs. 3 AktG) sowie der Notar (§ 130 Abs. 1 AktG) aufhalten. Die Aktionäre "können" bei entsprechender statutarischer Regelung ihre Teilnahmerechte online ausüben. Sie sind jedoch nicht dazu verpflichtet. Das Gesetz überlässt die Entscheidung zur Online-Teilnahme oder zur Präsenz-Teilnahme ganz der Aktiengesellschaft und ihren Aktionären.
bb) Regelung in der Satzung – Ermächtigung des Vorstands
Rz. 1377
Nach § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG kann die Satzung selbst die maßgeblichen Regelungen für eine Online-Teilnahme vorgeben. Um auf den Wechsel der Marktangebote oder auf technische Fortschritte eingehen zu können, gestattet es § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG ebenso, qua Satzung den Vorstand in einem "Grundlagenbeschluss" dazu zu ermächtigen, die neuen Verfahren anzubieten.
b) Online-Ausübung von Aktionärsrechten, Umfang und Einschränkungen
Rz. 1378
Nach § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG können die Satzung oder der Vorstand bei entsprechender Ermächtigung grds. frei entscheiden, ob die Aktionäre "sämtliche oder einzelne" Rechte in der Hauptversammlung "ganz oder teilweise" elektronisch ausüben können.
Die Online-Teilnahme ist "echte" Teilnahme an der Hauptversammlung. Auch der Online-Teilnehmer muss die besonderen Teilnahmevoraussetzungen des § 123 AktG erfüllen und sich entsprechend legitimieren. Auch eine Bevollmächtigung nach § 134 Abs. 3 AktG ist zulässig.
Rz. 1379
Dem Online-Teilnehmer können sämtliche Hauptversammlungsrechte wie insbesondere das Teilnahmerecht, das Rederecht, das Fragerecht und das Widerspruchsrecht oder auch jede Zwischenstufe davon eingeräumt werden.
aa) Stimmrecht
Rz. 1380
Wesentlich ist die Ausübung des Stimmrechts. Str. ist, ob das Online-Stimmrecht lediglich für einzelne Gegenstände der Tagesordnung gestattet werden kann, bspw. für die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, nicht aber hinsichtlich einer vorgesehenen Satzungsänderung. Dies wird z.T. bejaht. Ebenso umstritten ist, ob die Ausübung des Stimmrechts davon abhängig gemacht werden kann, dass Aktionäre eine bestimmte Anzahl von Aktien halten bzw. ihre Aktien bereits seit einem längeren Zeitraum halten.
bb) Fragerecht/Rederecht
Rz. 1381
Dem Online-Teilnehmer steht auch das uneingeschränkte Auskunftsrecht nach § 131 AktG sowie das Rederecht zu.
Die Gesellschaft muss hierbei sicherstellen, dass sowohl die Fragen und Redebeiträge der Online-Teilnehmer als auch die hierauf erteilten Antworten allen Hauptversammlungsteilnehmern, also auch den Teilnehmern in der Präsenzversammlung zur Kenntnis gebracht werden. Dies geschieht am einfachsten durch eine Verlesung der online gestellten Fragen in der Hauptversammlung und ihre Beantwortung im normalen Verfahren, verbunden mit einer Übertragung der Hauptversammlung im Internet.
Rz. 1382
Zulässig sind beim Frage- und Rederecht alle Arten der Einschränkungen. Das Rede- und Fragerecht kann insgesamt ausgeschlossen werden, oder es kann nur das Rederecht, nicht aber das Fragerecht und umgekehrt untersagt werden. Auch einzelne Einschränkungen dieser Rechte sind zulässig, z.B. dass die Fragen der Online-Teilnehmer und die Antworten hierauf auf ein Internet-Forum beschränkt werden. In diesem Fall müssen aber die in der Hauptversammlung anwesenden Teilnehmer die Möglichkeit haben, z.B. durch in ausreichender Zahl aufgestellte Online-Terminals vom Inhalt dieses Internet-Forums Kenntnis hiervon zu erhalten. Statthaft ist auch, das Fragerecht der online-Teilnehmer inhaltlich zu beschränken und online-Fragen bspw. nur zu bestimmten Tagesordnungspunkten zulassen. Ebenso zulässig ist es, den Online-Teilnehmern lediglich ein Fragerecht ohne korrespondierendes Antwortrecht einzuräumen. Schließlich soll auch die Begrenzung der Zahl der online gestellten Fragen pro Aktionär zulässig sein.
Rz. 1383
Werden die hauptversammlungsgebundenen Aktionärsrechte den Online-Teilnehmern uneingeschränkt zur Verfügung gestellt, droht die Gefahr, dass die Gesellschaft mit Fragen und Redebeiträgen überschwemmt und die Hauptversammlung in die Länge gezogen wird. Damit droht die Gefahr der "Mitternachtsstund" und Nichtigk...