Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
a) Allgemeines
Rz. 1413
Nach § 118 Abs. 2 AktG kann die Satzung auch vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen, dass Aktionäre ihre Stimme in Abwesenheit schriftlich oder im Wege elektronischer Kommunikation abgeben dürfen. Das Wort Briefwahl meint die Stimmabgabe bereits im Vorfeld der Versammlung. "Brief" bedeutet nicht "Papier". Auch eine elektronische Stimmabgabe ist zulässig. Der Briefwähler hat aber kein Widerspruchsrecht und keinen Auskunftsanspruch. Auch eine Anfechtungsklage scheidet grds. aus.
Rz. 1414
Derjenige, der mittels Briefwahl sein Stimmrecht ausübt, ist kein Teilnehmer an der Hauptversammlung und damit auch nicht im Teilnehmerverzeichnis zu vermerken. Mit Ausnahme des Stimmrechts hat der Briefwähler nicht die Rechte der Aktionäre, die diesen in der Hauptversammlung zustehen. Die Briefwahlstimmen gehören allerdings zum vertretenden Grundkapital, was bei Satzungsänderungen wesentlich ist (§ 179 Abs. 2 AktG). "Vertretendes Kapital" ist nicht nur das an der Hauptversammlung teilnehmende Kapital. Soweit – wie regelmäßig – das Abstimmungsergebnis im Wege des Subtraktionsverfahrens festgestellt wird und die Nein-Stimmen und Stimmenthaltungen von der "Präsenz" abgezogen werden, müssen auch die Briefwahlstimmen berücksichtigt werden.
Rz. 1415
Da die Abstimmung mittels Briefwahl "vor" der eigentlichen Hauptversammlung geschieht, stellt sich die Frage, ob der Vorstand oder der Versammlungsleiter in der Hauptversammlung über die bereits eingegangenen Briefwahlstimmen informieren muss. Eine gesetzliche Pflicht besteht nicht. Die Satzung kann jedoch eine entsprechende Offenlegungspflicht vorsehen. Fehlt eine Satzungsregelung, ist dieser Informationsvorsprung der Verwaltung der Gesellschaft ggü. den Aktionären für eine Anfechtungsklage ohne Bedeutung. Das Abstimmungsverhalten der "Briefwähler" ist keine Angelegenheit der Gesellschaft, über die in der Hauptversammlung zu berichten ist. Da der "Briefwähler" seine Stimmabgabe noch widerrufen oder etwa persönlich in der Hauptversammlung erscheinen und abstimmen kann, birgt die Bekanntgabe der vorläufigen Briefwahlstimmen umgekehrt die Gefahr einer sachwidrigen Beeinflussung der Hauptversammlung. Eine Bekanntgabe sollte daher unterbleiben.
b) Anmeldung als Voraussetzung der Stimmrechtsausübung
Rz. 1416
Gestattet die Satzung oder der Vorstand qua Ermächtigung in der Satzung eine Stimmabgabe mittels Briefwahl, kommt es darauf an, ob die Satzung nach § 123 Abs. 2 Satz 1 AktG die Ausübung des Stimmrechts (und nicht nur die Teilnahme an der Hauptversammlung) davon abhängig macht, dass sich die Aktionäre vor der Hauptversammlung anmelden. Auch wenn das Anmeldeerfordernis bei einer Briefwahl keinen Sinn ergibt, ist das Anmeldeerfordernis zu beachten. Erfolgt keine Anmeldung, besteht kein Stimmrecht. Die Anforderung der Briefwahlunterlagen stellt regelmäßig zugleich eine Anmeldung i.S.d. § 123 Abs. 2 Satz 1 AktG dar. Die Notwendigkeit eines Legitimationsnachweises bei (§ 123 Abs. 3 AktG), gilt auch hier.
c) Durchführung
Rz. 1417
Auch bei der Briefwahl ist sicherzustellen, dass nur Aktionäre, nicht Dritte an der Abstimmung teilnehmen. Wird die Briefwahl mittels Internet durchgeführt, eignet sich auch hier ein besonderer Online-Dialog mit besonderen Zugangsdaten für die Aktionäre. Die Übermittlung der Stimmabgabe lediglich per E-Mail ist zweifelhaft, weil der Absender nicht identifiziert werden kann und eine standardisierte Verarbeitung der Stimmabgabe kaum möglich ist. Insofern sollten Vorgaben gemacht werden für die Identifikation der Briefwähler. Ebenso kann eine Priorität festgelegt werden zwischen Online-Teilnahme und Briefwahl. Weiter können Regeln aufgestellt werden z.B. zur Nutzung bestimmter Formulare oder Internet-Dialoge und die Angabe bestimmter Adressen.
d) Abgrenzung Online-Teilnahme – Briefwahl
Rz. 1418
Die Abgrenzung zwischen einer Online-Teilnahme und einer Briefwahl kann anhand der zeitlichen Komponente erfolgen. "Briefwahl" i.S.d. Gesetzes bezeichnet die Stimmabgabe vor der Hauptversammlung, während die "Online-Teilnahme" die Stimmabgabe nach Eröffnung der Hauptversammlung meint. Als Briefwahl wird es dann noch zu bezeichnen sein, wenn die Stimmabgabe per Briefwahl noch vor Beginn der Hauptversammlung erfolgt, der Zugang bei der Gesellschaft aber erst nach Eröffnung der Hauptversammlung geschieht. Eine Regelung in der Satzung bzw. eine Entscheidung des Vorstands aufgrund entsprechender Ermächtigung in der Satzung ist zu empfehlen. Begi...