Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 393
Bei einer Kapitalerhöhung werden oft nicht alle bisherigen Gesellschafter gleichmäßig mit den neuen Geschäftsanteilen bedient. Anknüpfungspunkt hierfür ist § 55 Abs. 2 Satz 1 GmbHG.
a) Notwendigkeit eines ausdrücklichen Zulassungsbeschlusses?
Rz. 394
Bereits die regelungstechnische Vergabe der neuen Geschäftsanteile ist umstritten. Ein Teil der Lit. verlangt unter Berufung auf den Wortlaut des § 55 Abs. 2 Satz 1 GmbHG einen ausdrücklichen Zulassungsbeschluss. Die zutreffende Gegenauffassung hält eine ausdrückliche Zulassung der Übernehmer nur dann für notwendig, wenn einzelne Gesellschafter vom Bezug neuer Anteile ausgeschlossen bleiben sollen. Es bestehe ein ungeschriebenes Bezugsrecht der Altgesellschafter, das eine ausdrückliche Zulassung unnötig mache.
b) Ausschluss von Gesellschaftern vom Bezug neuer Gesellschaftsanteile
Rz. 395
Die GmbH kann nach § 55 Abs. 2 Satz 1 GmbHG auch Dritte zur Übernahme der neuen Gesellschaftsanteile zulassen. Dies führt zwingend zum teilweisen oder vollständigen Ausschluss des Bezugsrechtes von Altgesellschaftern.
aa) Formelle Voraussetzungen eines Bezugsrechtsausschlusses
Rz. 396
Über den Ausschluss von Gesellschaftern vom Bezug neuer Gesellschaftsanteile entscheidet die Gesellschafterversammlung. Es können aber auch die Geschäftsführer in Anlehnung an § 203 Abs. 2 AktG zur Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss ermächtigt werden, wenn der Weg über ein genehmigtes Kapital entspr. über § 55a GmbHG eingeschlagen wird.
Der Nichtzulassungsbeschluss ist analog § 186 Abs. 3 Satz 1 AktG Bestandteil des Erhöhungsbeschlusses und erfordert wie dieser eine Mehrheit von ¾der abgegebenen Stimmen (§ 53 GmbHG analog). Stimmen, die einen gesonderten Beschluss für den Bezugsrechtsausschluss für entbehrlich halten, sind in der Minderheit geblieben.
Rz. 397
Aufgrund der nachteiligen Wirkungen muss der geplante Bezugsrechtsausschluss i.R.d. Tagesordnung nach § 51 Abs. 2 GmbHG ausdrücklich angekündigt werden.
Strittig ist weiterhin, ob der Bezugsrechtsausschluss bei der GmbH einer schriftlichen Begründung bedarf, die ebenfalls den vorgesehenen Ausgabebetrag erfassen muss. Zum Schutz der Anteilseigner und zur Rechtsklarheit muss man auch bei der GmbH eine schriftliche Begründung von Bezugsrechtsausschluss und vorgesehenem Agio fordern. Dieses Erfordernis folgt analog aus § 186 AktG. Sofern allerdings alle Gesellschafter dem Bezugsrechtsausschluss zustimmen, wird vertreten, dass eine sachliche Rechtfertigung jedenfalls nicht mehr notwendig ist.
bb) Materielle Voraussetzungen eines Bezugsrechtsausschlusses
Rz. 398
Von einem Bezugsrecht der Altgesellschafter ausgehend können hinsichtlich der Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss die Regelungen über den Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts bei der AG entspr. herangezogen werden. Danach bedarf der Bezugsrechtsausschluss eines berechtigten Gesellschaftsinteresses und muss zur Erreichung dieses Interesses erforderlich sowie verhältnismäßig sein. Ein solches berechtigtes Interesse muss objektiv bestimmt und darf nicht am Willen der Mehrheit festgemacht werden, weil es gerade um dessen Überprüfung geht.
Rz. 399
Mögliche Fallgruppen sind:
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Bereitschaft eines Gesellschafters oder eines Dritten, für die Übernahme der neuen Anteile finanzielle Sonderleistungen zu erbringen, welche der Gesellschaft in einer schwierigen Finanzierungssituation helfen, |
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besonderes Interesse der GmbH an Leistungen, die nur ein bestimmter Gesellschafter oder ein Dritter zu erbringen vermag (insb. immaterielle Wirtschaftsgüter wie Goodwill oder ein bestimmtes Know-how), |
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Ausgleich von Spitzenbeträgen, |
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angestrebte Geschäftsverbindung mit einem anderen Unternehmen, das die Zusammenarbeit von einer Beteiligung abhängig macht. |
Rz. 400
Als weitere Voraussetzung muss der Bezugsrechtsausschluss erforderlich sein, um dem berechtigten Interesse der Gesellschaft Rechnung zu tragen. Dies kann nicht schon dann bejaht werden, wenn der Bezugsrechtsausschluss der sinnvollste oder einfachste Weg zur Erreichung des verfolgten Zweckes der Gesellschaft ist. Andererseits bedeutet Erforderlichkeit auch nicht, dass der Bezugsrechtsausschluss den einzigen Weg zur Erreichung des Gesellschaftsziels darstellt. Ausreichend muss sein, dass ein anderer Weg der Gesellschaft erhebliche, unzumutbare Nachteile bringt.
Rz. 401
Schließlich muss der Bezugsrechtsausschluss verhältnismäßig sein. Hier muss in einer Interessenabwägung das Interesse der Gesellschaft an der Erreichung des angestrebten Ziels den durch den Bezugsrechtsausschluss beeinträchtigten Gesel...