Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1621
In den §§ 147, 148 AktG ist die Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Gründer, besonders aber gegen die Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrates geregelt.
Rz. 1622
Gegenstand der Geltendmachung sind regelmäßig Schadensersatzansprüche, aber auch sonstige Ersatzansprüche z.B. aus einem Auftragsverhältnis. Auch Unterlassungsansprüche fallen darunter, es sei denn es handelt sich um Geschäftsführungsmaßnahmen, da andernfalls das Kompetenzgefüge in der AG untergraben werden würde. Schuldner der Ersatzansprüche können nicht nur die aktuellen Mitglieder des Vorstands und/oder des Aufsichtsrates sein. Auch Ansprüche gegen ausgeschiedene Verwaltungsmitglieder können mittels eines besonderen Vertreters geltend gemacht werden.
Rz. 1623
Der Beschluss der Hauptversammlung muss Anspruchsgegner und Lebenssachverhalt hinreichend konkret bezeichnen.
Rz. 1624
Die Gesellschaft ist verpflichtet, diese Ersatzansprüche binnen 6 Monaten geltend zu machen, wenn die Hauptversammlung dies mit einfacher Mehrheit beschließt. Die Geltendmachung selbst erfolgt durch das an sich zuständige Gesellschaftsorgan.
Rz. 1625
Die Hauptversammlung kann nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG zur Geltendmachung dieser Ansprüche mit einfachem Mehrheitsbeschluss einen besonderen Vertreter bestellen. Schließlich kann auch eine Aktionärsminderheit die Bestellung besonderer oder anderer Vertreter durch das Gericht veranlassen. Erforderlich ist nach § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG, dass die Minderheitsaktionäre zusammen mit mindestens 10 % am Grundkapital oder den anteiligen Betrag von 1.000.000,00 EUR an der Gesellschaft beteiligt sind und dass das Gericht die Bestellung anderer Vertreter für eine gehörige Geltendmachung der Ersatzansprüche für zweckmäßig hält. Die Beteiligten können hierzu Vorschläge machen; gebunden ist das Gericht daran nicht. Die Kosten trägt die Gesellschaft (§ 147 Abs. 2 Satz 3 AktG).
Rz. 1626
Der besondere Vertreter hat nach § 147 Abs. 2 AktG die Aufgabe, den Ersatzanspruch der Gesellschaft durchzusetzen. Über diese Aufgabenbeschreibung hinaus enthält das Gesetz keine weiteren Vorgaben. Anerkannt ist, dass dem besonderen Vertreter solche Informationsrechte zustehen, die für eine effektive Anspruchsdurchsetzung unerlässlich sind. Nach einer Ansicht verfügt der besondere Vertreter deshalb über umfassende Informationsrechte. Hiernach ist er berechtigt, die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu prüfen und Auskünfte vom Vorstand, Aufsichtsrat und Mitarbeitern zu verlangen. Nach a.A. sind seine Einsichts- und Auskunftsrechte dagegen nur auf das zur Anspruchsdurchsetzung erforderliche Maß beschränkt.
Rz. 1627
Der besondere Vertreter hat in seinem Aufgabenkreis die Stellung eines Organs der Gesellschaft. Soweit seine Befugnis reicht, Ersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats im Namen der Gesellschaft zu verfolgen, ist er auch gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft. Dazu gehört die Vertretung der Gesellschaft bei zur Geltendmachung der Ersatzansprüche notwendigen Hilfsgeschäften, insbesondere bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts. Erfasst ist ebenso die Vertretung der Gesellschaft gegenüber diesem Rechtsanwalt in einem Erkenntnisverfahren wegen dessen Honorarforderungen, das vor Abschluss der Geltendmachung der Ersatzansprüche gegen den Vorstand beginnt.
Rz. 1628
Auch eine Aktionärsminderheit kann die in § 147 Abs. 1 AktG genannten Ersatzansprüche der Gesellschaft im eigenen Namen geltend machen. Es liegt ein Fall gesetzlicher Prozessstandschaft vor. § 148 AktG sieht hierfür ein sog. Klagezulassungsverfahren vor, das dem eigentlichen Klageverfahren vorgeschaltet ist. Das Klagezulassungsverfahren ist so lange statthaft, bis der geltend gemachte Anspruch der Gesellschaft verjährt ist. Die Antragstellung hemmt bis zur rechtskräftigen Antragsabweisung oder bis zum Ablauf der Frist für die Klageerhebung die Verjährung des Anspruchs (§ 148 Abs. 2 Satz 3 AktG). Über die Zulassung entscheidet das Prozessgericht durch Beschluss.
Rz. 1629
Das Klagezulassungsverfahren soll der Minderheit die Möglichkeit geben, einen ex ante aussichtsreichen Prozess in die Wege zu leiten, ohne das Risiko tragen zu müssen, im (späteren) Rechtsstreit mit dessen Kosten belastet zu werden. Gleichzeitig sollen aussichtslose oder zu missbräuchlichen Zwecken betriebene Klagen von vornherein ausgeschaltet werden. Die Antragstellung der Minderheitsaktionäre schließt eine Klage der beizuladenden Gesellschaft, die ihren Anspruch jederzeit geltend machen kann, nicht aus. Erhebt die Gesellschaft selbst Klage, werden anhängige Zulassungsverfahren oder Klagen der Aktionäre unzulässig (§ 148 Abs. 3 Satz 1 AktG). Ebenso kann die Gesellschaft das von der Minderheit angestrengte Verfahren in dem Stadium übernehmen, in dem es sich zur Zeit der Übernahme befindet (§ 148 Abs. 3 Satz 2 AktG). Die Gesellschaft hat in diesem Fall die Kosten der Minderheitsaktionäre zu tragen (§ 148 Abs....