Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1095
Nach § 121 Abs. 5 AktG kann die Satzung den Ort der Hauptversammlung bestimmen. Ist nichts bestimmt, soll die Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft stattfinden. Im Fall ihrer Börsennotierung kann die Gesellschaft ihre Hauptversammlung auch am Sitz der Börse durchführen (§ 121 Abs. 5 AktG). Regelmäßig enthält die Satzung dazu jedoch Vorgaben. Bei einer virtuellen Hauptversammlung gilt § 121 Abs. 5 AktG nicht (§ 121 Abs. 5 Satz 3 AktG).
Rz. 1096
Unzulässig ist eine Bestimmung, die dem Einberufenden die freie Wahl des Versammlungsortes überlässt. I.d.R. sind in der Satzung mehrere Orte genannt, unter denen der Einberufende auswählen darf. Zulässig ist es auch, den Ort der Hauptversammlung durch geografische oder sonstige Vorgaben allgemein zu definieren. Dies kann durch Benennung konkreter politischer Gemeinden (A-Stadt, B-Dorf) oder durch Umschreibung (Sitz einer deutschen Wertpapierbörse, Stadt in Entfernung von x km vom Sitz, Stadt mit mehr als y Einwohnern) erfolgen. Die Bestimmung muss so konkret gefasst sein, dass der Einberufende den Ort nicht nach freiem Ermessen bestimmen kann. Die Aktionäre müssen sich auf die möglichen Versammlungsorte einstellen können. Nicht hinreichend konkret ist nach Ansicht des BGH eine Satzungsbestimmung einer europäischen Aktiengesellschaft (SE), wonach die Hauptversammlung am Sitz einer Wertpapierbörse in der Europäischen Union oder einer Großstadt in der Europäischen Union mit mehr als 500.000 Einwohnern stattfinden dürfe. In der EU gebe es rund 60 mit mehr als 500.000 Einwohnern. Hinzu komme die unbekannte Zahl von Orten mit Sitz einer Wertpapierbörse in der EU, die keine 500.000 Einwohner haben. Ein Aktionär müsste u.U. eine weite Anreise bis an die Ränder der EU auf sich nehmen, obwohl er sich an einer Gesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland beteiligt habe und am Versammlungsort kein Bezug zur geschäftlichen Tätigkeit der Gesellschaft bestehe. Eine solche Satzungsregelung beschränke die Teilnahmemöglichkeiten und sei daher unzulässig.
Auf die Durchführung einer Hauptversammlung im Inland übertragen wirft diese Entscheidung die Frage auf, ob die bislang stets unbeanstandet gebliebene Satzungsklausel, wonach die Hauptversammlung im Inland an einem Ort mit mehr als 100.000 Einwohnern stattfindet, nicht ebenso zu unbestimmt sei. Ende 2021 gab es in Deutschland 80 Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Zum anderen stellt die Entscheidung darauf ab, es sei unzumutbar "eine weite Anreise bis an die Ränder der Bundesrepublik" auf sich nehmen zu müssen. Es gilt daher zu überdenken, ob der Hauptversammlungsort über die bereits genannte Konkretisierung in der Satzung hinaus nicht auch eine gewisse räumliche Verbindung zum Satzungssitz haben sollte. Leitbild des § 121 Abs. 5 AktG für den Ort der Hauptversammlung ist letztlich der Sitz der Gesellschaft.
Rz. 1097
Unzulässig ist auch eine Bestimmung, wonach die Hauptversammlung jeweils den Ort der nächsten Hauptversammlung festlegt. Bei der Festlegung eines vom Sitz abweichenden Hauptversammlungsorts in der Satzung sollte dieser – jedenfalls bei einer Publikumsgesellschaft – mit angemessenem Aufwand erreichbar sein.
Rz. 1098
Wird ein nach Vorstehenden unzulässiger Versammlungsort in der Satzung festgelegt, ist der satzungsändernde Beschluss anfechtbar. Wird der Beschluss nicht angefochten, muss der Registerrichter die Satzungsänderung eintragen.
Rz. 1099
An einem Ort, der weder durch die Satzung der Gesellschaft noch durch § 121 Abs. 5 AktG für die Hauptversammlung vorgesehen ist, darf die Hauptversammlung nur ausnahmsweise stattfinden, wenn ihre Durchführung an einem an sich dafür bestimmten Ort nicht möglich ist, etwa weil kein geeigneter Versammlungsraum zur Verfügung steht bzw. bei Fehlen entsprechender Verkehrsverbindungen. Auch die Gefahr erheblicher Störungen durch Demonstrationen kann ausreichender Anlass für ein Abweichen vom regulären Versammlungsort sein. Eine weitere Ausnahme besteht in Übernahmefällen nach § 16 Abs. 4 Satz 2 WpÜG. Ähnlich ist die Situation bei der Durchbrechungs-HV gem. § 33b Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 WpÜG. Unbeschadet dieser Möglichkeiten ist stets auf die Wahrung der Teilnahmerechte der Aktionäre zu achten.
Rz. 1100
Ob der Ort der Hauptversammlung stets im Inland belegen sein muss, war bislang str. Die neuere Ansicht in der Lit. bejaht eine Hauptversammlung im Ausland. Auch der BGH folgt dem. Das Beurkundungserfordernis stehe der Beurkundung im Ausland nicht entgegen. Entweder werde die Beurkundung durch einen Konsularbeamten durchgeführt. Es genüge aber auch die Beurkundung durch einen ausländischen Notar, wenn sie der deutschen Beurkundung gleichwertig sei. Gleichwertigkeit sei gegeben, wenn die ausländische Beurkundungsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit eines deutschen Notars entsprechende Funktion ausübe und für die Beu...