Rz. 526

Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung besteht die Pflicht, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Diese Pflicht obliegt nach § 15a Abs. 1 InsO den Geschäftsführern bzw. Liquidatoren. Nach ständiger Rspr. fällt darunter auch der sog. "faktische Geschäftsführer".[1796] Hat die Gesellschaft keinen Geschäftsführer, ist auch jeder Gesellschafter zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet,[1797] es sei denn, er hat keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung oder Führungslosigkeit, § 15a Abs. 3 InsO. Probleme können hieraus insb. bei geschäftsunfähigen oder minderjährigen Gesellschaftern resultieren. Da der Gesetzgeber aber auch in diesen Fällen keine Ausnahme vorsieht, sind somit auch Betreuer und Vertretungsberechtigte in die Pflicht genommen. Soweit der Geschäftsführer lediglich "faktisch" nicht vertreten ist, weil er nicht erreichbar ist, besteht keine Führungslosigkeit und die Antragspflicht geht nicht auf die Gesellschafter über.[1798]

Bei der GmbH & Co. KG ist der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als deren organschaftlicher Vertreter, der die Geschäfte für die KG führt, zur Stellung des Insolvenzantrags bzgl. der GmbH & Co. KG verpflichtet, wenn diese zahlungsunfähig oder überschuldet ist.[1799] Bei Anzeichen für eine wirtschaftliche und finanzielle Krise der KG muss sich der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH daher einen Überblick über die Vermögensverhältnisse der KG verschaffen.[1800]

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§ 15a Abs. 1 InsO) zu beantragen.[1801]

 

Hinweis

Es darf dabei nicht bis zum Ablauf dieser Frist gewartet werden, um dann kurz vor Fristende den Antrag zu stellen und so noch möglichst viel Vermögen zu retten.[1802]

Der Antrag kann unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 InsO zurückgenommen werden. Wurde der antragstellende Geschäftsführer zwischenzeitlich abberufen, kann der Antrag auch von dem allein verbliebenen anderen Geschäftsführer zurückgenommen werden, wenn sich dies nicht als rechtsmissbräuchlich darstellt.[1803]

 

Rz. 527

Soweit die Geschäftsführer ihre Pflichten aus § 15a Abs. 1 InsO – bzw. bei Führungslosigkeit die Gesellschafter ihre Pflicht aus § 15a Abs. 3 InsO – verletzen, kommt eine Strafbarkeit gem. § 15a Abs. 4, 5 InsO in Betracht.

 

Rz. 528

Zur zivilrechtlichen Haftung s. bereits o. Rdn 270 ff. (Geschäftsführer) und Rdn 344 (Gesellschafter).

[1796] BGH, 18.12.2014 – 4 StR 323/14, 4 StR 324/14, GmbHR 2015, 191; OLG Köln, 15.12.2011 – 18 U 188/11, GmbHR 2012, 1358 m Anm. Blöse; Haas, DStR 2003, 423, 423 m.w.N.; BGH, 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32; BGH, 28.6.1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101, 103; OLG Düsseldorf, 16.10.1987 – 5 Ss 193/87 – 200/87 I, NJW 1988, 3166, 3167.
[1797] Bei Führungslosigkeit sowohl der insolventen GmbH, als auch ihrer Gesellschafter-Gesellschaft: LG München I, 29.7.2013 – 14 I 15462/13, ZIP 2013, 1739.
[1798] Für den Fall, dass der Geschäftsführer einer insolventen GmbH auf Forschungsreise ist: AG Potsdam, 24.1.2013 – 35 IN 978/12, NZI 2013, 602; AG Hamburg, 27.11.2008 – 67c IN 478/08, ZInsO 2008, 1331; Brand/Raschke, ZIP 2010, 2134.
[1799] Vgl. a. zur Haftung aufgrund der drittschützenden Organstellung des Komplementärgeschäftsführers im Fall eines fälschlicherweise gestellten Insolvenzantrags: OLG München, 21.3.2013 – 23 U 334/12, GmbHR 2013, 590; m. Anm. Petrovicki, GWR 2013, 227.
[1801] S. zur Geltung des § 15a InsO für (Schein-)Auslandsgesellschaften Heckschen/Heidinger/Heckschen/Weitbrecht, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, Kap. 19 Rn 113.
[1802] BGH, 2.10.2000 – II ZR 164/99, DStR 2001, 1537, 1538; nur wer Sanierungschancen hat, darf die Drei-Wochen-Frist ausreizen: vgl. Römermann, NZI 2010, 241, 242.

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