Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1559
ie Anfechtungsbefugnis richtet sich nach § 245 AktG. Fehlt sie, ist die Klage unbegründet. Ein Anfechtungsrecht besteht für die Aktionäre nach § 245 Nr. 1–Nr. 3 AktG. Alle Aktionäre sind anfechtungsbefugt, soweit es um einen Beschluss wegen Strebens nach Sondervorteilen geht (§§ 245 Nr. 3, 243 Abs. 2 AktG).
Rz. 1560
Anfechtungsbefugt sind die in der Hauptversammlung erschienenen/vertretenen Aktionäre, wenn sie gegen den Beschluss Widerspruch zu Protokoll erklärt haben (§ 245 Nr. 1 AktG). Zusätzliche Voraussetzung ist, dass der Aktionär seine Aktien vor Bekanntmachung der Tagesordnung erworben haben muss. Die Aktionärseigenschaft muss nicht während der gesamten Prozessdauer fortbestehen. Im Fall der Veräußerung der Aktien gilt § 265 ZPO.
Rz. 1561
Widerspruch ist die Erklärung, mit einem Hauptversammlungsbeschluss nicht einverstanden zu sein und deshalb eine gerichtliche Überprüfung zu erwägen. Allein die Stimmabgabe gegen den Beschluss genügt nicht. Ein bestimmter Wortlaut ist nicht erforderlich. Nicht ausreichend ist es, wenn Widerspruch eingelegt wird nur gegen einzelne Verfahrensmaßnahmen wie bspw. gegen einen Stimmrechtsentzug, wenn nicht der Protest auch gegen das Ergebnis der Beschlussfassung unmissverständlich hervortritt. Eine Begründung ist nicht erforderlich. Der Widerspruch ist "zur Niederschrift" zu erklären. Es muss für den Notar oder den Protokollführer erkennbar sein, dass Widerspruch eingelegt werden soll (z.B. "ich widerspreche, ich fechte an, ich verwahre mich gegen den Beschluss, ich halte den Beschluss für gesetzes- oder satzungswidrig/unwirksam/ungültig/nichtig"). Im Zweifel muss nachgefragt werden. Bei der Protokollierung von Widersprüchen kann sich derNotar Hilfspersonen bedienen. Die Aufnahme des Widerspruchs in der Niederschrift ist nicht Voraussetzung; der Kläger kann die Erklärung des Widerspruchs in anderer Form beweisen. Ein solcher Beweis ist nicht zu erheben, wenn der Widerspruch nicht bestritten wird.
Rz. 1562
In zeitlicher Hinsicht kann Widerspruch erklärt werden während der gesamten Dauer der Hauptversammlung, insb. also auch, wenn der betreffende Tagesordnungspunkt bereits abgeschlossen ist, nicht aber nach Schließung der Versammlung. In sachlicher Hinsicht muss der Widerspruch erkennen lassen, gegen welchen Beschluss der Hauptversammlung er sich richtet. Zulässig ist es ebenso, gegen sämtliche Beschlüsse der Hauptversammlung Widerspruch einzulegen.
Rz. 1563
Widerspruch kann im Übrigen nicht nur für bereits gefasste, sondern auch schon für erst noch bevorstehende Beschlüsse erklärt werden. Die Beschlussfassung muss nicht abgewartet werden. Zulässig ist ein genereller Widerspruch gegen alle Beschlüsse
Rz. 1564
Nach h.M. in der Lit. kann auf die Erklärung des Widerspruchs verzichtet werden, wenn der Anfechtungsgrund in der Hauptversammlung nicht erkennbar war. Hier wäre der Widerspruch nur Förmelei. Die Rspr. hat sich dazu noch nicht geäußert. In der Praxis sollte daher im Zweifelsfall stets Widerspruch eingelegt werden.
Beispiel
Bei Willensmängeln im Zusammenhang mit der Stimmabgabe.
Rz. 1565
Wird bei einer laufenden Anfechtungsklage ein Squeeze-Out-Beschluss (s.u. Rdn 1945 ff.) im Handelsregister eingetragen, wird nach einer Ansicht die Klage nachträglich unbegründet. Mangels wirtschaftlichen Interesses fehle dem Kläger die Klagebefugnis. Auch nach einem Squeeze-Out ist ein Aktionär aber zur Fortführung seiner Anfechtungsklage berechtigt, soweit er ein rechtliches Interesse an einer solchen Verfahrensfortsetzung hat. Dies ist der Fall, wenn der Ausgang des Anfechtungsverfahrens Auswirkungen auf die als Vermögensausgleich für den Verlust der Mitgliedsrechte zu gewährende angemessene Barabfindung nach §§ 327a ff. AktG haben kann.
Rz. 1566
Aktionäre, die nicht in der Hauptversammlung erschienen sind, haben ein Anfechtungsrecht bei Einberufungsmängeln (§ 245 Nr. 2 AktG). Dazu zählt auch der Fall der unberechtigten Nichtzulassung zur Hauptversammlung oder die unberechtigte Verweisung aus dem Saal. Wer (auch nur teilweise) in der Hauptversammlung anwesend/vertreten ist, muss auch in den Fällen des § 245 Nr. 2 AktG Widerspruch erheben.
Rz. 1567
Wird die Anfechtungsklage darauf gestützt, dass ein Aktionär mit der Ausübung seines Stimmrechts unberechtigte Sondervorteile zu erlangen sucht und der Hauptversammlungsbeschluss diesem Zweck dient (§ 243 Abs. 2 AktG), ist nach § 245 Nr. 3 AktG eine Anfechtungsbefugnis für Aktionäre nur gegeben, wenn sie ihre Aktien schon vor Bekanntmachung der Tagesordnung erworben haben. Umgekehrt muss ein Aktionär, der seine Klage auf § 243 Abs. 2 AktG stützt, unter den Voraussetzung des § 245 Nr. 3 AktG weder an der Hauptversammlung teilnehmen noch widersprechen und auch die besonderen Umstände des § 245 Nr. 2 AktG dartun. Die bloße Mitgliedschaft genügt für die Klagebefugnis, sodass auch ein Ruhen der Rechte nach § 20 Abs. 7 AktG ein...