Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 852
Der Begriff der Aktiengattung wird in § 11 AktG definiert. Danach können durch Aktien verschiedene Rechte gewährt werden, so v.a. bei der Verteilung des Gewinns und des Gesellschaftsvermögens. Soweit mehrere Aktiengattungen bestehen, muss die Satzung nach § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG Angaben hierzu enthalten. In den Fällen der §§ 179 Abs. 3, 182 Abs. 2 und 222 Abs. 2 AktG sind bei Satzungsergänzungen und Kapitalmaßnahmen Sonderbeschlüsse der Aktionäre der einzelnen Aktiengattungen vorgesehen. Das Verfahren für Sonderbeschlüsse ist in § 138 AktG geregelt und entspricht dem der Beschlussfassung in einer normalen Hauptversammlung. Sonderbeschlüsse können dem eigentlichen Hauptversammlungsbeschluss vor- als auch nachgehen.
Rz. 853
Möglich sind auch Mehrstimmrechtsaktien. Nach § 12 AktG a.F. konnten Mehrstimmrechtsaktien bei der Neugründung einer AG vorübergehend nicht mehr begründet werden. Numehr sind solche nach § 12 Satz 2 AktG wieder zulässig. Übergangsvorschriften dazu enthält Art. 5 EGAktG. Beschränkungen, an wen Mehrstimmrechtsaktien ausgegeben werden können, gibt es nicht. Jedoch kann die Satzung dazu Regelungen vorsehen und weitere Einschränkungen machen (§ 135a Abs. 3 AktG), etwa auf bestimmte Beschlussgegenstände beschränken.
Rz. 854
Nach § 135a Abs. 1 Satz 1 AktG können Mehrstimmrechtsaktien nur als Namensaktien ausgegeben werden. Sie dürfen höchstens das Zehnfache des Stimmrechts nach § 134 AktG betragen (§ 135a Abs. 1 Satz 2 AktG). Zulässig ist die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien mit unterschiedlich hohen Mehrstimmrechten. Bei Beschlüssen nach 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG (Bestellung des Abschlussprüfers) sowei bei Sonderprüfungsanträgen nach § 142 Abs. 1 AktG gewähren Mehrstimmrechtsaktien nur eine Stimme (§ 135a Abs. 4 AktG). Im Teilnehmerverzeichnis sind Mehrstimmrechtsaktien besonders zu erwähnen (§ 129 Abs. 1 Satz 2 AktG).
Werden Mehrstimmrechtsaktien nicht schon in der Gründungssatzung, sondern erst mittels Satzungänderung geschaffen, müssen alle betroffenen Aktionäre zustimmen (§ 135a Abs. 1 Satz 3 AktG). Das bedeutet grds. Einstimmigkeit aller Aktionäre. Eine Zustimmung stimmrechtsloser Vorzugsaktionäre ist nicht erforderlich, weil deren Vorzüge davon nicht betroffen sind. Beim genehmigten Kapital ist die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien ausgeschlossen (§ 202 Abs. 1 Satz 2 AktG).
Angaben über Mehrstimmrechte sind nach § 152 Abs. 1 S. 4 in der Bilanz und im Lagebericht zu machen (§ 289a Abs. 1 Nr. 1 HGB).
Rz. 855
Besonderheiten gelten schließlich für Mehrstimmrechtsaktien bei börsennotierten Gesellschaften oder im Freiverkehr gehandelte Aktien nach § 135a Abs. 2 AktG. Diese erlöschen automatisch bei Übertragung der Aktien oder spätensten 10 Jahre nach Börsengang oder im Falle der Einbeziehung in den Freiverkehr. Die Satzung kann eine kürzere Frist bestimmen, die Frist aber auch um max. 10 weitere Jahre verlängern. Ein Verlängerungsbeschluss kann frühestens ein Jahr vor Ablauf der ersten Frist ergehen und bedarf mindestens einer ¾-Kapitalmehrheit. Ebenso sind Sonderbeschlüsse der verschiedenen Aktiengattungen erforderlich (§ 135a Abs. 2 S. 4 ff. AktG). Schließlich sind bei börsennotierten Gesellschaften in der Hauptversammlungsniederschrift nach § 130 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AktG besondere Angaben zu den Mehrstimmrechtsaktien zu machen.
Rz. 856
Mehrstimmrechte können ebenso wieder abgeschafft werden. Notwendig ist ein satzungsändernder Hauptversammlungsbeschluss (§179 AktG) sowie Sonderbeschlüsse nach § 179 Abs. 3 AktG. Bei Erlöschen der Mehrstimmrechte verschiebt sich das Stimmgewicht der einzelnen Aktionäre. Dies kann dazu führen, dass die Kontrollschwelle nach § 29 Abs. 2 WpÜG überschritten wird. Möglich ist hier eine Befreiung von den übernahmerechtlichen Pflichten nach § 35 WpÜG, § 37 WpÜG, § 9 Abs. 1 Nr. 5 WpÜG-Angebots-VO.
Hinweis
In der Praxis wird regelmäßig zwischen Stamm- und Vorzugsaktien unterschieden. Vorzugsaktien räumen im Verhältnis zu den Stammaktien bestimmte "Vorzüge" ein. Zulässig ist auch die Begrenzung des Stimmrechts durch Höchststimmrechte. Dies gilt nach § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG allerdings nur für nicht börsennotierte Gesellschaften. Danach kann das Stimmrecht z.B. auf einen bestimmten Umfang der Beteiligung am Grundkapital beschränkt werden.