Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 456
Die Gewährung eines Darlehens an einen Gesellschafter stellte schon nach früher ganz h.M. jedenfalls dann eine Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 GmbHG dar, wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch nicht werthaltig ist. Der BGH hat dies mit dem sog. "November-Urteil" insoweit verschärft, als er die rein bilanzielle Betrachtungsweise aufgab und eine verbotene Rückzahlung sogar bei vollwertigem Darlehensrückzahlungsanspruch annahm, wenn nur eine Unterbilanz besteht oder durch das (nicht aktivierte) Darlehen entstehen würde. Auf Grundlage dieses BGH-Urteils war in Praxis und Wissenschaft größte Verunsicherung darüber entstanden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter (Muttergesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen) Darlehen im Rahmen eines Cash-Pools geben darf, wenn der Darlehensvaluta bilanziell keine entspr. hohe (freie) Rücklagenpositionen gegenüberstanden.
Rz. 457
Mit dem MoMiG wurden die Kapitalerhaltungsregeln des AktG und GmbHG um eine "Sonderregelung" für Kreditgeschäfte, namentlich i.S.e. "Privilegierung" des Cash-Poolings, erweitert. In § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und im Wesentlichen gleichlautend in § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG heißt es dazu: (Das Verbot der Einlagenrückgewähr gelte) "nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind."
Mit diesen Regelungen wollte der Gesetzgeber erstens das Cash-Pooling und sog. "upstream-loans" in der Konzernfinanzierung sichern. Zweitens soll im faktischen Konzern deren Zulässigkeit davon abhängen, ob die Gewährung von Liquidität innerhalb des Konzerns jeweils "durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch (...) gedeckt ist". Ausweislich der Regierungsbegründung kehrt der Gesetzgeber damit zu der vom BGH in seinem November-Urteil abgelehnten "bilanziellen Betrachtungsweise" zurück.
Bei einer Leistung, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückerstattungsanspruch gedeckt ist, wird demnach ein Aktiventausch vorgenommen, d.h. der Minderung des Bankguthabens steht eine Erhöhung der Forderungen gegen den Gesellschafter gegenüber Es liegt kein Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vor. Die Forderung gegen den Gesellschafter muss allerdings vollwertig sein, was die Durchsetzbarkeit desselben mit einschließt. Spätere, nicht vorhersehbare negative Entwicklungen der Forderung gegen den Gesellschafter und eine damit einhergehende bilanzielle Abwertung führen nicht nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung.
Rz. 458
Zur Parallelvorschrift im Aktienrecht (§ 57 AktG) hat der BGH entschieden, ein nachteiliges Rechtsgeschäft i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG liege nicht schon per se in der Vergabe eines ungesicherten "upstream-Darlehens" im Austausch gegen einen vollwertigen Rückzahlungsanspruch und angemessene Verzinsung. Zu verlangen sei eine "konkrete Gefährdung in der Vermögens- oder Ertragslage der Gesellschaft". Dies ergebe sich aus § 311 Abs. 1 AktG sowie aus der Neuregelung des § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG, der ausschließlich auf die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs gegen den Aktionär abstelle. Das Kreditgeschäft sei schon dann nicht nachteilig i.S.d. § 311 AktG, wenn bei Auszahlung der Valuta kein späteres Ausfallrisiko zu erkennen gewesen sei, auch wenn es später "wider Erwarten doch zu einem Forderungsausfall kommt".
Rz. 459
Für die GmbH ändert die Rspr. des BGH dahin gehend nichts, als dass auch nach Einfügung des § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG jede Kreditvergabe aus gebundenem Vermögen weiterhin unzulässig ist (§ 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), wenn die Aktivierbarkeit des Rückzahlungsanspruchs nur geringsten Zweifeln unterliegt. Allerdings billigt der BGH das in der Praxis weit verbreitete Verfahren des Cash-Pools bei Vollwertigkeit des Gegenleistungs- und Rückgewähranspruchs auch i.R.d. Gesellschaftsform der GmbH. Der Gesetzgeber beabsichtigte durch die neu eingefügte Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, es den Gesellschaftern zu erleichtern, insb. im Konzern, alltägliche und wirtschaftlich sinnvolle Leistungsbeziehungen zu unterhalten und abzuwickeln. Daher wurde auch die bisher schon anerkannte Ausnahme bei bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen nicht auf Leistungen "zwischen den Vertragsteilen" beschränkt. Vom Verbot der Einlagenrückgewähr werden vielmehr auch Leistungen an Dritte auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens, bspw. an andere Konzernunternehmen oder an Unternehmen, die mit dem herrschenden Unternehmen oder anderen Konzernunternehmen in Geschäftsverbindung stehen, freigestellt.
Rz. 460
Die Frage nach der Vollwertigkeit des Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruchs beurteilt sich nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen. Allerdings stellen sich hier die gleichen Probleme wie beim sog. Hin- und Herzahlen...